In den Ausschreibungen für die Förderung der Einspeisemengen bei der Windenergie an Land nach dem EEG 2017 werden die gesetzlich privilegierten Bürgerenergiegesellschaften eine besondere Rolle spielen. Bürgerenergiegesellschaften werden verfahrensmäßig und sachlich bevorteilt: Sie können an der Ausschreibung teilnehmen, ohne über eine BImSchG-Genehmigung zu verfügen. Das Gebot ist dann lediglich bezogen auf den Landkreis und darf eine Gebotsmenge von 18 MW oder sechs Windenergieanlagen nicht übersteigen. Eine größere Auswahl an Standorten kommt der Bürgerenergiegesellschaft indessen auf den ersten Blick nicht zu, denn anstelle der BImSchG-Genehmigung hat sie ein Windgutachten sowie einen Nachweis der Flächenverfügbarkeit vorzulegen. Es scheint also zumindest eine durch das Windgutachten und den Nachweis der Flächenverfügbarkeit vorgegebene Ortsgebundenheit zu bestehen. Davon abweichend legen § 36g Absatz 3 Satz 1 EEG 2017 sowie die Begründung nahe, dass der Bürgerenergiegesellschaft eine weitergehende Flexibilität zugestanden werden soll:
„Es gibt [ … ] keine feste Standortbindung, sondern die Bürgerenergiegesellschaften können im ganzen Landkreis ihre Anlagen realisieren. Damit erhalten sie eine Flexibilität, falls z.B. aus naturschutzrechtlichen Gründen die Genehmigung an einem anderen Standort als den ursprünglich im Landkreis geplanten Standort realisiert wird.“ (Weglassung in eckigen Klammern durch den Verfasser; Regierungsentwurf BT Drs. 18/8832, S. 215; Referentenentwurf des BMWi vom 14. April 2016, S. 182 f.).
Die Bürgerenergiegesellschaft ist danach innerhalb des Landkreises frei. Es soll daher möglich sein, anstelle des der Gebotsabgabe zugrundeliegenden Vorhabens (vgl. Windgutachten sowie nachgewiesene Standortverfügbarkeit) ein Vorhaben an einem anderen Standort im Landkreis zu realisieren. Das bedeutet, dass zumindest nach der Begründung die zwingende Zusammengehörigkeit der anlässlich der Gebotsabgabe gemachten Angaben und dem Zuschlag bei Bürgerenergiegesellschaften nicht existiert. Salopp ausgedrückt würde daher anlässlich der Gebotsabgabe „irgendein“ Windgutachten nebst Flächenverfügbarkeitsnachweis ausreichen. Ob die nachträglich anlässlich der Zuordnungsentscheidung zu beantragende Änderung auf einen anderen Standort besonderer Gründe bedarf, ergibt sich weder aus dem Wortlaut des Gesetzes noch aus der Gesetzesbegründung. Die Begründung legt lediglich nahe, dass naturschutzrechtliche Gründe in Betracht kommen. Es stellt sich die Frage, welchen Zweck die anlässlich der Gebotsabgabe geforderte Vorlage eines Windgutachtens sowie eines Nachweises der Flächenverfügbarkeit haben soll, wenn insoweit keinerlei Bindung erzeugt wird. Diese Frage wird hoffentlich im Rahmen der ersten Ausschreibungsrunden beantwortet. Sachlich werden die Bürgerenergiegesellschaften bevorzugt, indem sie den Zuschlag in Höhe des höchsten noch bezuschlagten Gebots erhalten (§ 36g Absatz 5 EEG 2017).
Netzausbaugebiet: 58% der in den Jahren 2013-2015 im Jahresdurchschnitt in Betrieb genommenen installierten Leistung
Im ersten Ausschreibungstermin (1. Mai 2017), welcher eine auszuschreibende Menge von 800 MW zum Gegenstand hat, entfallen 258 MW auf das Netzausbaugebiet (vgl. Netzausbaugebietsverordnung v. 20. Februar 2017). Das Netzausbaugebiet entspricht der Fläche Norddeutschlands und umfasst die Bundesländer Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und 16 Landkreise und vier kreisfreie Städte in Niedersachsen. Rechnerisch ist es möglich, dass die Gebote von nur 15 Bürgerenergiegesellschaften die im Netzausbaugebiet verfügbare Menge von 258 MW überschreiten, wenn sie jeweils die ihnen zukommende Höchstmenge von 18 MW ausschöpfen (15 x 18 MW = 270 MW). Dieses verhältnismäßig große Gewicht der Bürgerenergiegesellschaften im Netzausbaugebiet gibt Anlass, das Zuschlagverfahren im Netzausbaugbiet genauer zu beleuchten.
Bezuschlagung der Bürgerenergiegesellschaft mit Höchstpreis
Im Netzausbaugebiet werden die Zuschläge bis zur Höhe der jeweiligen Menge erteilt – d.h. zum Termin vom 1. Mai 2017 bis zu 258 MW. Die Bezuschlagung erfolgt dergestalt, dass die Niedrigstbietenden zuerst bezuschlagt werden und sodann die höher Bietenden. Dieses Prozedere erfolgt solange, bis die Ausschreibungsmenge aufgebraucht ist. Sofern das letzte Gebot im Netzausbaugebiet die Ausschreibungsmenge überschreitet, wird dieses gleichwohl vollständig bezuschlagt, sofern zumindest ein Teil dieses Gebots unterhalb der im Netzausbaugebiet verfügbaren Gesamtmenge liegt (vgl. § 36c Absatz 5 EEG 2017). Gegenwärtig ist im Hinblick auf die auf das restliche Bundesgebiet entfallende Menge eintretende Reduzierung kein Ausgleich vorgesehen. Das bedeutet, dass sich die Menge für den Rest der Republik entsprechend verringert. Für den Fall, dass die jeweils noch zu berücksichtigenden Höchstgebote dieselbe Höhe ausweisen, erhält grundsätzlich das Gebot mit der geringeren Menge den Zuschlag. Wenn sowohl die Menge als auch der Gebotswert identisch sind, entscheidet das Los.
Wenn das Kontingent überschritten wird gilt das Höchstgebot im Netzausbaugebiet
Anders als bei herkömmlichen Bietern, bei denen das Prinzip des Zuschlags in Höhe des Gebotswerts (pay as bid) gilt, wird die Zuschlagshöhe bei den Bürgerenergiegesellschaften einheitlich bestimmt (uniform pricing). Sofern die Ausschreibungsmenge im Netzausbaugebiet nicht ausgeschöpft wird, erhalten Bürgerenergiegesellschaften den Zuschlag in Höhe des höchsten noch bezuschlagten Gebots desselben Gebotstermins (§ 36g Absatz 5 Satz 1 EEG 2017). Für den Fall, dass die im Netzausbaugebiet verfügbare Menge überschritten wird, erhalten Bürgerenergiegesellschaften den Zuschlag jedoch lediglich in Höhe des höchsten noch im Netzausbaugebiet bezuschlagten Gebots (§ 36g Absatz 5 Satz 2 EEG 2017). Da damit zu rechnen ist, dass die jeweilige Ausschreibungsmenge im Netzausbaugebiet in der Regel überschritten wird, dürften die Bürgerenergiegesellschaften im Netzausbaugebiet regelmäßig den in diesem Gebiet bezuschlagten Höchstwert zugeschlagen bekommen.Das Netzausbaugebiet stellt daher eine separate Ausschreibungszone dar. Details zur Berücksichtigung von Bürgerenergiegesellschaftsgeboten, insbesondere wie diese Gebote in der Ausschreibungsmenge berücksichtigt werden, sind dem Gesetz nicht zu entnehmen. In der Gesetzesbegründung zum EEG 2017 heißt es in Bezug auf das bei den Bürgerenergiegesellschaften anzuwendende Prinzip des Einheitspreises:
„Dies bedeutet, dass alle Gebote von Bürgerenergiegesellschaften, unabhängig davon, ob sie die Anforderungen nach § 36g EEG 2017 oder die Anforderungen nach § 36 EEG 2017 erfüllen, einen Zuschlagswert erhalten, der dem Gebotswert des höchsten bezuschlagten Gebots in dieser Runde entspricht, sofern ihre Gebote in dieser Ausschreibung einen Zuschlag erhalten haben.“ (BT Drs. 18/9096, S. 364).
Bezuschlagt wird nach Maßgabe von § 32 EEG 2017. Diese Vorschrift gilt für alle Gebote gleichermaßen und lässt Gebote unberücksichtigt, die über dem die Schwelle (800 MW bzw. 258 MW) überschreitenden Gebot liegen. Bietet eine Bürgerenergiegesellschaft in einem Gebotstermin, bei dem das höchste noch bezuschlagte Gebot 6,50 Cent/kWh beträgt mit 6,00 Cent/kWh, erhält sie einen Zuschlag in Höhe von 6,50 Cent/kWh. Für Bürgerenergiegesellschaften ist es daher ebenso wie für herkömmliche Bieter ratsam, möglichst niedrig zu bieten, um nicht Gefahr zu laufen, dass das Gebot nicht berücksichtigt wird.
Mengen der Bürgerenergiegesellschaften fließen in die Gesamtmenge ein – es erfolgt keine Hinzurechnung zum Gesamtkontingent
Eine weitere Frage ist, wie die auf die Bürgerenergiegesellschaften entfallenden Mengen in der verfügbaren Ausschreibungsmenge berücksichtigt werden, namentlich, ob sie die Gesamtmenge erhöhen oder ob sie in diese einfließen und daher die auf die nichtprivilegierten Bieter entfallende Menge reduzieren. Im Gesetzgebungsverfahren wurden die Privilegien der Bürgerenergiegesellschaften mit der europarechtlich zugestandenen de minimis Regelung im Umfang von bis zu sechs Windenergieanlagen bzw. 18 MW begründet. Das könnte den Schluss zulassen, dass diese Mengen per se unberücksichtigt zu bleiben haben und die im Übrigen verfügbare Menge nicht beeinflussen. Eine solche Behandlung ließe die de minimis Regelung zu. Die Gesamtmenge würde sich dadurch, dass die Mengen der Bürgerenergiegesellschaften hinzukommen, vergrößern, sodass die auf die Bürgerenergiegesellschaften entfallenden Mengen „on top“ kommen. Dagegen sprechen zwei gewichtige Argumente: In der Gesetzesbegründung des Regierungsentwurfs wird geäußert, dass die angestrebte Mengensteuerung durch die Bürgerenergiegesellschaften nicht unterlaufen werden soll und dass die Bürgerenergiegesellschaften an der Mengensteuerung teilnehmen sollen (BT Drs. 18/8832, S. 155). Dies deckt sich mit dem Wortlaut des Gesetzes, welcher für die auf Bürgerenergiegesellschaften entfallende Mengen keine Sonderregelungen beinhalten und keinen Umschichtungsmodus erkennen lassen, mit dem ein Mehr an Mengen durch Bürgerenergiegesellschaften in folgenden Ausschreibungsterminen wieder ausgeglichen wird, um den gesetzlichen Ausbaukorridor einzuhalten. Es ist daher davon auszugehen, dass die auf die Bürgerenergiegesellschaften entfallenden Mengen in das jeweilige Ausschreibungskontingent einzubeziehen sind und nicht „on top“ kommen bzw. nicht hinzuzurechnen sind.
Einbeziehung in die Reihung der Gebote – allerdings zu privilegiertem Zuschlagswert
Das bedeutet, dass die Gebote von Bürgerenergiegesellschaften zur Ermittlung der Gebotshöhe zunächst wie herkömmliche Bieter behandelt und in die Reihung sämtlicher Gebote einbezogen werden, allerdings mit dem Unterschied, dass ihnen nach Ermittlung des noch bezuschlagten höchsten Gebots eben der auf dieses entfallende Gebotswert zugeordnet wird. Die Gebote der Bürgerenergiegesellschaften fließen daher in die Gesamtmenge mit ein und verknappen damit spiegelbildlich die für nichtprivilegierte Bieter verfügbare Restmenge. Zur Veranschaulichung wird die Behandlung der Gebote beispielhaft in diesem Video simuliert.
Sonderzone Netzausbaugebiet
Dieses Verfahren gilt entsprechend für die Ermittlung der Gebotswerte im Netzausbaugebiet, wobei der höchste im Netzausbaugebiet noch bezuschlagte Gebotswert für die Gebote der Bürgerenergiegesellschaften maßgeblich ist, wenn die auf dieses Gebiet entfallende Menge überschritten wird. Für den Fall, dass die im Netzausbaugebiet verfügbare Menge durch Bürgerenergiegesellschaften ausgefüllt wird, gilt nichts anderes. In einem solchen Fall wird das höchste noch bezuschlagte Gebot auf eine Bürgerenergiegesellschaft entfallen und alle anderen Bürgerenergiegesellschaften erhalten dann einen Zuschlag in derselben Höhe.
Auswirkungen strategischen Bietens bei Bürgerenergiegesellschaften
Diese Handhabung hat zur Folge, dass Gebote von Bürgerenergiegesellschaften im Netzausbaugebiet gesteigerte Auswirkungen auf die Höhe des noch bezugschlagten höchsten Gebots haben können. Denn diese Gebote wirken sich auf die Höhe des noch bezugschlagten höchsten Gebots aus, da sie das Zuschlagkontingent verschieben können. Da das Zuschlagkontingent im Netzausbaugebiet mit 258 MW (Termin vom 1. Mai 2017) besonders klein ist, können verhältnismäßig wenige strategisch niedrig bietende Bürgerenergiegesellschaften das Preisniveau insgesamt erheblich nach unten drücken, zumal in Nordwestdeutschland besonders zahlreiche Bürgerenergiegesellschaften auftreten dürften. Ob ein strategisches Bieten in der Praxis zu nennenswerten Effekten führt, wird abzuwarten sein. Zu vergegenwärtigen ist allerdings, dass angesichts der niedrigen Menge und des verhältnismäßig hohen Gewichts der auf die Bürgerenergiegesellschaften entfallenden Mengen merkliche Effekte bereits bei wenigen strategisch niedrigen Geboten zu erwarten sind. Aufgrund der gesetzlich garantierten Bezuschlagung mit dem Höchstpreis scheinen die Risiken für Bürgerenergiegesellschaften überschaubar zu sein: wenn beispielsweise ein Gebot mit 1 Cent/kWh abgegeben wird, erhält die Bürgerenergiegesellschaft gleichwohl das Höchstgebot, welches allerdings, je mehr niedrige Gebote vorliegen, niedriger ausfallen wird.