Beschaffung von Schulbüchern – Ist das Losverfahren das Mittel der Wahl?

Wie kann man eigentlich den Zuschlag im Vergabeverfahren auf das günstigste Angebot erteilen, wenn alle Angebote gleich teuer sind? Darf sofort zwischen Bietern ausgelost werden? Wie kann ein Vergabeverfahren gestaltet werden, bei dem das Gesetz die Preise schon vorschreibt – wie etwa im Fall der Buchpreisbindung?

Es stellt einen weit verbreiteten Irrtum dar, dass die öffentliche Hand das „günstigste Angebot“ bezuschlagen müsste. Richtig ist, dass die vergaberechtlichen Regelungen (hier am Beispiel von § 127 Abs. 1 S. 1 GWB) vorsehen, dass der Zuschlag auf das „wirtschaftlichste Angebot“ erteilt werden muss. Zur Beurteilung des wirtschaftlichsten Angebots kann ein öffentlicher Auftraggeber verschiedene Kriterien ansetzen, zu denen neben Preis oder Kosten auch sog. Qualitätskriterien zählen können, die sich z.B. in § 58 VgV finden.

Spannend wird es in den Fällen, in denen gesetzliche Vorschriften zwingende Vorgaben machen. So etwa bei der Buchpreisbindung. Die Buchpreisbindung bewirkt, dass es keinen Wettbewerb beim Preis geben kann, weil die Bieter alle den gleichen (gesetzlich gebundenen) Preis anbieten müssen. Das „wirtschaftlichste Angebot“ lässt sich mit dem Merkmal „Preis“ daher nicht zuverlässig ermitteln. Bei Büchern kommt hinzu, dass auch die anderen in § 58 VgV genannten Qualitätskriterien kaum eine Unterscheidung ermöglichen, weil sich auch etwa die „Qualität“ der Schulbücher, womit nicht die Inhalte gemeint sind, kaum unterscheiden dürfte. Ebenso werden sich kaum Unterschiede bei Ästhetik, Zweckmäßigkeit, sozialen oder umweltbezogenen Merkmalen eines Schulbuchs finden lassen. Das erschwert einen sog. „Leistungswettbewerb“ (d.h. Wettbewerb nach qualitativen Merkmalen) ungemein.

Damit bliebe möglicherweise nur die – in Ausnahmefällen mögliche, bei Schulbüchern aber häufig anzutreffende – Vergabe durch Losentscheid. Ist das aber das Mittel der Wahl?

Ein Qualitätswettbewerb wäre noch denkbar bei der Frage, der Verfügbarkeit von Kundendienst, bei den Lieferbedingungen oder dem Liefertermin, sowie beim Lieferverfahren. Das sind weitere Qualitätsmerkmale, die gem. § 58 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 VgV herangezogen werden könnten. Weil das Losverfahren (wie das OLG Rostock schon am 01.08.2003, 17 Verg 7/03 für eine Vergabe von Planungsleistungen entschied) nur in absoluten Ausnahmefällen möglich ist, kommt es nicht in Betracht, wenn zuvor nicht abgeklärt wurde, welche der nicht ausgeschlossenen und geeigneten Bewerber bzw. Bieter die geforderte Leistung prognostisch am besten erbringen wird können. Die Auswahl des Losverfahrens vor Klärung dieser Frage begründe eine Rechtsverletzung. (OLG Rostock, 17 Verg 7/03 unter II.2.) Mit dieser schon älteren Entscheidung ist vor dem Hintergrund des (mit der Vergabereform 2016 eingeführten) § 58 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 VgV eher fraglich, ob nicht zumindest die dort genannten Kriterien über Lieferbedingungen vorab des Losverfahrens geeignet gewesen wären, Unterschiede zwischen den Bietern herauszuarbeiten. Mit der Entscheidung des OLG Rostock ließe sich vertreten, dass erst, wenn diese Kriterien zu gleichen Bieterangeboten führen, das Losverfahren zum Tragen kommen kann.

Wenn die öffentliche Hand zudem bei Beschaffungen das Ziel verfolgt, lokale Unternehmen zu unterstützen, ist eine zentrale Ausschreibung mit nur wenigen (Fach-) Losen wenig hilfreich, weil im Losverfahren lokale Bieter kaum Chancen haben. Um dieses Ziel zu erreichen, könnte (unter Anwendung von § 97 Abs. 4 GWB) eine kleinteiligere Ausschreibung, d.h. Aufteilung nicht nur in Fach-, sondern auch in kleinere Teillose, etwa pro Schule oder ggf. Schulbezirk, helfen. Dadurch würde einerseits die ohnehin bestehende Losaufteilungspflicht umgesetzt und zudem würden kleinere Lose für auswärtige Bieter u.U. unattraktiver. Zu beachten wäre hierbei aber, dass diese Verfahrensgestaltung nicht dadurch unwirtschaftlich wird, dass Preisnachlässe nach § 7 Abs. 3 BuchPrG verloren gehen. Das wäre bei Zuschnitt der Lose abzuwägen und in der Vergabeakte vorsorglich zu dokumentieren.

Zudem kann die Vergabestelle, wenn sie zentral beschaffen und lokalen Wettbewerb stärken will, überlegen, ob das in § 21 VgV geregelte Instrument der Rahmenvereinbarung zu mehr Wettbewerb und flexibleren Beschaffungen führt. Gerade die Möglichkeit, Rahmenvereinbarungen mit mehreren Wirtschaftsteilnehmern (Bietern) zu schließen und dann die späteren Einzelaufträge in einem zweiten Verfahrensschritt nach § 21 Abs. 5 VgV zu erteilen, birgt Potential für mehr Flexibilität und Wettbewerb in der Beschaffung.

Die Regelungen des seit 2016 reformierten EU-Vergaberechts ermöglichen eine Reihe von Gestaltungsmöglichkeiten, die der öffentlichen Hand ein Mehr an Wettbewerb und damit wirtschaftlichere Angebote ermöglichen. ANDRESEN RECHTSANWÄLTE unterstützen Sie individuell bei der Gestaltung Ihres Vergabeverfahrens.

von Rechtsanwalt Carl-Henning Clodius