Bürgerbeteiligung im EEG 2017, § 36g Abs. 6 und die Auswirkungen auf das Bürger- und Gemeindenbeteiligungsgesetz M-V (BüGembeteilG M-V)

Weitestgehend unbemerkt ist bei der gegenwärtig anstehenden Novellierung des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG 2017) eine Regelung in den Gesetzentwurf aufgenommen worden, die die Herzen in Schwerin (M-V) höher schlagen lassen dürfte.

Landesgesetzgebungskompetenz für die Bürgerbeteiligung

In § 36g Absatz 6 des Entwurfs zum EEG 2017 heißt es: „Die Länder können weitergehende Regelungen zur Bürgerbeteiligung und zur Steigerung der Akzeptanz für den Bau von neuen Anlagen erlassen, sofern § 80a nicht beeinträchtigt ist“ (BT Drs. 18/9096, S. 66). Die Regelung des § 80a EEG 2017 beschränkt die Möglichkeiten, für Anlagen Investitionszuschüsse zu gewähren. Das Land Mecklenburg-Vorpommern hatte sich beim Erlass des BüGembeteilG („Gesetz über die Beteiligung von Bürgern und Gemeinden an Windparks an Land in Mecklenburg-Vorpommern und zur Änderung weiterer Gesetze“, GVOBl. M-V vom 27. Mai 2016, S. 258) auf die Kompetenztitel der Raumordnung (Art. 71 Absatz 3 Satz 1 Nummer 4 GG) und die allgemeine Gesetzgebungskompetenz (Art. 70 GG) berufen. Allerdings ist die Gesetzgebungskompetenz des Landes im Bereich der so genannten konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz ausgeschlossen, sofern der Bund von seiner Regelungsbefugnis Gebrauch gemacht hat (Art. 72 Absatz 1 GG). In der Entwurfsbegründung zum Bürgerbeteiligungsgesetz wurde zwar eingeräumt, dass das Gesetz einige bundesrechtliche Kompetenztitel berühre. Zugleich wurde aber konstatiert, dass der Bundesgesetzgeber nicht umfassend von seiner Kompetenz Gebrauch gemacht habe, etwa was das Recht der Wirtschaft (Art. 74 Absatz 1 Nummer 11 GG), das Bodenrecht (Art. 74 Absatz 1 Nummer 18 GG) und das Recht der Luftreinhaltung und Lärmbekämpfung (Art. 74 Absatz 1 Nummer 24 GG) anbelangt, und dass dies Raum für landesrechtliche Regelungen lasse (LT M-V Drs. 6/ 4568). Diese Argumentation darf bezweifelt werden, denn sie läuft darauf hinaus, dass der Bund beispielsweise im Recht der Wirtschaft nicht spezifische Regelungen über Bürgerbeteiligung getroffen hat und dass das Land daher diese „Lücken“ schließen dürfe. Wenn daraus ein Kompetenztitel zugunsten des Landes hergeleitet werden könnte, würde das zu einer schier unüberschaubaren Regelungsmöglichkeit zugunsten der Bundesländer führen, denn die Bundesländer könnten sich willkürlich spezifische Themen heraussuchen und diese so zum Gegenstand ihrer Gesetzgebungskompetenz machen. So könnten die Länder auch eine Bürgerbeteiligung an allen Einzelhandelsgeschäften regeln, denn so etwas hat der Bund bislang nicht geregelt. Richtig ist, dass allein der Umstand, dass der Bund keine Gesetze zur monetären Bürgerbeteiligung erlassen hat, keineswegs die vom Landesgesetzgeber in Mecklenburg-Vorpommern erkannte Lücke lässt. Zu fragen ist vielmehr, ob der Bundesgesetzgeber mit den Bundesgesetzen nach deren Geltungsumfang und Regelungszweck den fraglichen Bereich nicht regeln wollte. Dazu genügt es nicht, dass die Bundesgesetze keine expliziten Regelungen zur Bürgerbeteiligung enthalten. Eine diesbezügliche Untersuchung der betreffenden Bundesgesetze wäre sehr umfassend und ist nicht Gegenstand dieses Beitrags. Es spricht indessen für sich, dass in der Entwurfsbegründung zum BüGembeteilG keine detaillierten Ausführungen zu diesem Thema enthalten sind. Nachvollziehbar ist daher, dass sich der Gesetzgeber hauptsächlich auf eine andere Gesetzgebungskompetenz beruft: Nach Art. 71 Absatz 3 Satz 1 Nummer 4 GG bleibt es den Bundesländern vorbehalten, auf dem Gebiet der Raumordnung von den bundesrechtlichen Regelungen abweichende Regelungen zu erlassen. So wird klar, warum in der Gesetzesbegründung zum Bürgerbeteiligungsgesetz an vielen Stellen von einem „raumordnerischen Konfliktausgleich“ die Rede ist, der durch die verpflichtende Bürgerbeteiligung herbeigeführt werden sollte. Bei unbefangener Betrachtung würde nicht einleuchten, warum die Beteiligung von Bürgern für die Raumordnung relevant sein soll. Die Relevanz besteht allein darin, dass der Landesgesetzgeber händeringend nach einem Kompetenztitel gesucht hat und deshalb versucht hat, die Bürgerbeteiligung als raumrelevant einzuordnen. Dieser Versuch ist zum Scheitern verurteilt. Zwar haben Windenergieanlagen der heute gängigen Größenordnung eine Wirkung auf den Raum. Gänzlich irrelevant für deren Wirkung auf den Raum ist aber, wem die Anlagen gehören.

§ 36g Absatz 6 EEG 2017

Die Regelung des § 36g Absatz 6 EEG 2017 bringt nun neuen Schwung in die Diskussion um die Rechtmäßigkeit des BüGembeteilG und die Gesetzgebungskompetenz des Landes: Nach dieser Regelung gestattet der Bund den Ländern explizit, dass die Länder „…weitergehende Regelungen zur Bürgerbeteiligung und zur Steigerung der Akzeptanz für den Bau von neuen Anlagen erlassen …“ dürfen. Wenn die Regelung vom Bundestag gebilligt wird, räumt der Bund damit den Bundesländern ausdrücklich ein, im Rahmen von Art. 72 Absatz 1 GG eigene Regelungen treffen zu dürfen. Damit erübrigt sich die Suche nach einer Lücke. Ebenfalls obsolet wird damit auch der zum Scheitern verurteilte Versuch, die Gesetzgebungskompetenz des Landes auf den Kompetenztitel der Raumordnung zu stützen (Art. 71 Absatz 3 Satz 1 Nummer 4 GG). Die Bundesländer benötigen diesen zweifelhaften Kunstgriff nun nicht mehr. Vielmehr macht der Bund nun den Weg für die Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer frei, sofern es um die Bürgerbeteiligung und die Steigerung der Akzeptanz geht. Darin liegt keine Änderung der im Grundgesetz normierten Kompetenzordnung, welche nur unter den besonderen Anforderungen von Art. 79 Absatz 2 GG möglich wäre, denn der Bundesgesetzgeber lässt lediglich erkennen, in Teilbereichen der konkurrierenden Gesetzgebung auf seine Gesetzgebungskompetenz zu verzichten und das hat zur Folge, dass die Länder in Anwendung der Kompetenz nach Art. 70 GG gesetzgebungskompetent sind.

Bemerkenswert ist, dass die bundesrechtlich gewährte Bereichsausnahme nicht auf eine Bürgerbeteiligung zum Zwecke der Akzeptanzsteigerung beschränkt ist, sondern sowohl die Bürgerbeteiligung als auch Maßnahmen zur Steigerung der Akzeptanz umfasst. Damit wird eine Diskussion darüber, ob mit der Bürgerbeteiligung überhaupt eine Akzeptanzsteigerung bewirkt werden kann, zumindest auf der Ebene der Gesetzgebungskompetenz von vornherein unnötig. Vielmehr können die Bundesländer nun einerseits weitergehende Regelungen zur Bürgerbeteiligung treffen und andererseits Maßnahmen zur Steigerung der Akzeptanz ergreifen.

Auswirkungen auf das BüGembeteilG M-V

Rechtlich interessant ist, ob und wie sich die nun eingeräumte Gesetzgebungskompetenz auf das bereits in Kraft getretene BüGembeteilG M-V auswirkt. Nach der hier vertretenen Auffassung ist das BüGembeteilG M-V kompetenzwidrig zustande gekommen, denn dem Landesgesetzgeber stand zum Zeitpunkt des Erlasses des Gesetzes keine Gesetzgebungskompetenz zu. Dieser Mangel ist nicht rückwirkend geheilt worden. Ob die Einräumung der Gesetzgebungskompetenz auf den Erlasszeitpunkt zurückwirken kann, kann dahinstehen, da § 36g Absatz 6 EEG 2017 keine Rückwirkung zu entnehmen ist. Vielmehr gilt die Vorschrift mit ihrem Inkrafttreten. Gegen die Möglichkeit einer rückwirkenden Heilung spricht zudem Art. 20 Absatz 3 GG, denn mit der Bindung an Recht und Gesetz ist es unvereinbar, die Zuständigkeit im Nachhinein zu schaffen. Dem Landesgesetzgeber ist es nicht gestattet, ohne Ermächtigung ein Gesetz zu erlassen, welches erst im Nachhinein legitimiert wird. Die Ermächtigung in Gestalt der Gesetzgebungskompetenz muss bereits zu Beginn des Gesetzgebungsverfahrens gelten, denn auch das Gesetzgebungsverfahren und alle darin geregelten Mitwirkungs- und Zustimmungsakte beruhen letztlich auf der dem Land zugewiesenen Gesetzgebungskompetenz. Die Kompetenzbedenken können durch ein abermaliges Inkraftsetzen des BüGembeteilG M-V ausgeräumt werden, diesmal auf Grundlage einer hinreichenden Gesetzgebungskompetenz. Bereits anhängige Verfahren gegen das Gesetz (Feststellungsklagen gem. § 43 VwGO oder Verfassungsbeschwerden gem. Art. 93 Absatz 1 Nummer 4a GG) dürften sich, soweit sie sich auf die Kompetenzwidrigkeit des Gesetzes stützen, durch eine abermalige Inkraftsetzung des Gesetzes erledigen.

Auswirkungen auf bereit begonnene Vorhaben

Schwieriger stellen sich die voraussichtlichen Auswirkungen auf Vorhaben dar, welche unter Geltung des kompetenzwidrig zustande gekommenen Gesetzes begonnen worden sind. Hier ist zu unterscheiden zwischen den Formen der Beteiligung: Macht der Vorhabenträger von seiner Wahlmöglichkeit zugunsten der Ausgleichsabgabe Gebrauch und stimmen die berechtigten Gemeinden dieser Wahl zu, so entfällt die Verpflichtung zur Entrichtung der Abgabe mit Aufhebung des Gesetzes. Denkbar wären Rückerstattungsansprüche, denen aber voraussichtlich der Entreicherungseinwand (§ 818 Absatz 3 BGB) entgegengehalten wird, sofern die Empfänger das Geld bereits ausgegeben haben. Angesichts der klaren Kompetenzwidrigkeit könnte dem Entreicherungseinwand aber die Regelung des § 819 BGB entgegengehalten werden, wonach der Bereicherte ab Kenntnis des fehlenden rechtlichen Grundes einer verschärften Haftung unterliegt und sich nicht mehr auf Entreicherung berufen kann (§ 818 Absatz 4 BGB). Allerdings wird man sich damit auseinanderzusetzen haben, ob die verschärfte Haftung beim guten Glauben in die Rechtmäßigkeit eines formellen Gesetzes überhaupt entfallen kann oder ob es in einem Rechtsstaat nicht vielmehr angezeigt ist auf die Gesetze zu vertrauen. Dabei könnte zu berücksichtigen sein, dass bereits den ersten Entwürfen zum Bürgerbeteiligungsgesetz ganz erhebliche Bedenken gegen die Gesetzgebungskompetenz entgegengebracht worden sind. Die Ausgleichsabgabe ist daher ab dem Zeitpunkt des Außerkrafttretens des BüGembeteilG nicht mehr zu zahlen. Rückforderungsansprüche kommen zwar in Betracht, begegnen aber dann Bedenken, wenn sie auf der verschärften Haftung gemäß § 818 Absatz 4 BGB beruhen.

Hiervon unterscheidet sich die Rechtslage bei der Einräumung von Beteiligungen an Gesellschaften: Beteiligungen können dann rückabgewickelt werden, wenn eine Rückabwicklung im Übertragungsvertrag vorgesehen ist oder wenn die Voraussetzungen von § 313 BGB vorliegen, nämlich dass das BüGembeteilG M-V Geschäftsgrundlage geworden ist und sich die Umstände nach Vertragsschluss erheblich geändert haben und dies von den Vertragspartnern bei Vertragsschluss nicht bedacht worden ist.

Einem Großteil der Kosten wird der Vorhabenträger nicht ersetzt bekommen, nämlich für die Prospektierung, den Verwaltungs- und Rechercheaufwand. Dieser auf die Umsetzung des Gesetzes zurückzuführende Schaden wäre gegen das Land zu richten. Das Land ist aber im Bereich des so genannten legislativen Unrechts weitestgehend von der Haftung befreit. Amtshaftungsansprüche scheiden mangels Drittgerichtetheit der Amtspflicht aus, denn das Handeln der gesetzgebenden Organe erfolgt nicht im Sinne Einzelner, sondern im Sinne der Allgemeinheit.

Zahlreiche Bedenken bleiben bestehen

Von der vorstehend erörterten Problematik der Gesetzgebungskompetenz für das Bürgerbeteiligungsgesetz ist die Kompetenz für die im Zuge des BüGembeteilG M-V bewirkte Änderung des Landesplanungsgesetzes M-V zu unterscheiden. Hier stützt sich das Land auf Art. 71 Absatz 3 Satz 1 Nummer 4 GG, wonach die Bundesländer Regelungen treffen dürfen, die von den bundesrechtlichen raumordnungsrechtlichen Regelungen abweichen. Es sprechen aber gute Gründe dafür, dass dieses Abweichungsrecht nicht unbegrenzt gilt und dass es einen so genannten abweichungsfesten Kernbereich des Raumordnungsrechts gibt. Wie dieser Kernbereich zu definieren ist, ist höchstrichterlich bislang nicht geklärt. Vorliegend hat das Land Mecklenburg-Vorpommern durch die Änderung des Landesplanungsgesetzes M-V die Bürgerbeteiligung zum Ziel der Raumordnung erhoben. Bundesrechtlich sind unter Zielen der Raumordnung „… verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlich bestimmten oder bestimmbaren, vom Träger der Raumordnung abschließend abgewogenen … textlichen oder zeichnerischen Festlegungen in Raumordnungsplänen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums“ zu verstehen (§ 3 Absatz 1 Nummer 2 ROG). Die Bürgerbeteiligung kann nicht, schon gar nicht ohne abschließende Abwägung des Trägers der Raumordnung, zu einem Ziel der Raumordnung erhoben werden, zumal der Bürgerbeteiligung keinerlei Raumrelevanz zukommt. Die Änderung des Landesplanungsgesetzes läuft der bundesrechtlich determinierten Unterscheidung zwischen Zielen und Grundsätzen der Raumordnung daher zuwider.

Nicht gelöst ferner Aspekte, die die Antragstellereigenschaft nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) betreffen, indem unter Geltung des BüGembeteilG M-V natürliche Personen in Mecklenburg-Vorpommern nicht mehr Betreiber von Windenergieanlagen sein dürften, was ein Verstoß gegen das Prinzip „Bundesrecht bricht Landesrecht“ (Art. 31 GG) mit sich bringt. Verfassungsrechtlich problematisch sind außerdem nach wie vor die Problemstellungen der Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte (Art. 3 GG), der Verhältnismäßigkeit sowie einer Ausgleichspflicht der eigentumsrechtlichen Inhaltsbestimmung (Art. 14 Absatz 1 Satz 2 GG) und die Rechtmäßigkeit der Ausgleichsabgabe.

Erschwerung der Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen das Gesetz

Die nunmehr gegebene Gesetzgebungskompetenz für das BüGembeteilG M-V dürfte ein Vorgehen gegen das Gesetz – sofern es durch den Landesgesetzgeber abermals in Kraft gesetzt wird – erschweren. Denn das Bundesverfassungsgericht stellt bei der unmittelbar gegen ein Gesetz gerichteten Rechtssatzverfassungsbeschwerde zunehmend hohe Anforderungen an das Subsidiaritätsprinzip und die Rechtswegerschöpfung, indem es mittlerweile verlangt, dass der Antragsteller zuvor mit einer Feststellungsklage (§ 43 VwGO) sowie der Möglichkeit einer Richtervorlage (Art. 100 GG) in einem Verfahren versucht, seinem Recht Geltung zu verschaffen (BVerfG 16.7.2015 – 1 BvR 1014/13). Anders als die Kompetenzproblematik, der ganz spezifisches Verfassungsrecht zugrunde liegt, können andere grundrechtsrelevante Probleme durchaus instanzgerichtlich aufbereitet werden. Diese verbleibenden Probleme ohne vorherige Anrufung der Gerichte sogleich beim Bundesverfassungsgericht prüfen zu lassen, birgt Risiken, ist aber mit guten Argumenten nicht ohne Aussicht auf Erfolg.