BVerwG: RREP Vorpommern-Verordnung vom 19. August 2010 unwirksam

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) urteilte am 18. August 2015, dass die Landesverordnung über das Regionale Raumentwicklungsprogramm Vorpommern vom 19. August 2010 (RREP VP) insoweit unwirksam ist, als dass damit das Ziel in Abschnitt 6.5 Absatz 7 Satz 1 RREP VP für verbindlich erklärt worden ist (BVerwG, Urteil vom 18. August 2015 – 4 CN 7.14).

In erster Instanz hatte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Greifswald die gegen die Verordnung vorgebrachten Argumente nicht gelten lassen und den Normkontrollantrag zurückgewiesen (OVG M-V, Urteil vom 19. Juni 2013 – 4 K 27/10). Kern des Streits war, dass die Landesregierung M-V im Zuge der Verbindlicherklärung des RREP Vorpommern zwei Wind-Eignungsgebiete – nämlich die Eignungsgebiete Papenhagen und Poppelvitz/Altefähr – ganz und eines – nämlich das Eignungsgebiet Iven Spantekow – teilweise von der Verbindlichkeit ausgenommen hatte. Nach Ansicht des OVG Greifswald sollte dies der Landesregierung im Rahmen ihrer Kontrollbefugnisse nach § 9 Absatz 5 LPlG M-V gestattet sein. Als Grenzen dieser Befugnisse sah das OVG lediglich die so genannte „Feigenblattplanung“, darunter versteht man eine Planung, die eigentlich nicht der Ermöglichung, sondern der Verhinderung von Vorhaben dienen soll, und das Erfordernis, dass der Windenergie im Außenbereich (§ 35 BauGB) „in substanzieller Weise Raum zu geben“ ist. Weder für die eine noch für die andere Grenze sah das OVG Anhaltspunkte. Auch habe sich die Landesregierung im Rahmen ihrer Befugnisse gemäß § 9 Absatz 5 LPlG M-V gehalten, da sie sich nicht als übergeordnete Planungsbehörde geriert habe. Der Umstand, dass die Herausnahme von Eignungsgebieten dazu führt, dass an dem betroffenen Standort öffentliche Belange dem Vorhaben entgegenstehen (was einer planerischen Entscheidung gleichkommen würde) sei nicht Gegenstand der Entscheidung der Landesregierung gewesen, so das OVG, sondern lediglich die Konsequenz aus § 35 Absatz 3 Satz 3 BauGB.

Das BVerwG hält diese Argumente nicht für tragfähig: Die vom OVG Greifswald herangezogenen Grenzen der „Feigenblattplanung“ bzw. „Alibiplanung“ oder die Mindestanforderung, der Windenergie „substanziell Raum“ zu geben, können zwar als die untersten Grenzen des planerisch noch vertretbaren herangezogen werden. Diese Grenzen sind aber kein geeigneter Maßstab zur Beantwortung der Frage, ob die Landesregierung selbst planerisch tätig geworden ist. Planerische Tätigkeiten obliegen in Mecklenburg-Vorpommern den Planungsverbänden und nicht der Landesregierung. Die Landesregierung ist gemäß § 9 Absatz 5 LPlG M-V zwar berufen, die Raumentwicklungsprogramme für verbindlich zu erklären, eine Ermächtigung zur Abänderung der Raumentwicklungsprogramme sieht das Gesetz indessen nicht vor. Das OVG Greifswald legt § 9 Absatz 5 LPlG M-V dahingehend aus, dass die abschließende Abwägungsentscheidung den Regionalen Planungsverbänden vorbehalten bleibt und dass der Landesregierung ein eigenes planerisches Tätigwerden verwehrt ist. Das Bundesverwaltungsgericht, das an diese Auslegung gebunden ist (§ 560 ZPO, § 173 Satz 1 VwGO), erkennt zwei Verstöße: die Landesregierung hat die ihr zustehenden Befugnisse überschritten, indem sie selbst planerisch tätig geworden ist (1) und sie hat ein nicht abschließend abgewogenes Ziel der Raumordnung für verbindlich erklärt (2). Da die Festlegung eines den Anforderungen des § 35 Absatz 3 Satz 3 BauGB entsprechenden Windenergiekonzepts ist nicht teilbar ist, erweist sich die Zielfestlegung gemäß Abschnitt 6.5 Absatz 7 Satz 1 RREP VP als abwägungsfehlerhaft. Der Abwägungsfehler war auch erheblich im Sinne von § 12 Absatz 3 Satz 2 ROG, denn er war offensichtlich und für das Abwägungsergebnis maßgeblich: Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass das Ergebnis der Abwägung anders ausgefallen wäre. Denkbar wäre, dass der Regionale Planungsverband versucht hätte, den durch die Herausnahme der Eignungsgebiete bewirkten Wegfall der Fläche anderweitig zu kompensieren, etwa durch Ausweisung neuer Eignungsgebiete oder die Erweiterung bereits vorhandener Eignungsgebiete. Da es sich um einen sachlichen Teilplan für die Windenergie handelt (vgl. § 4 Absatz 3 LPlG M-V), betrifft der Mangel nur den für die Windenergienutzung relevanten Teil des Plans und lässt den Plan im Übrigen unberührt.

Die Entscheidung ist zu begrüßen, denn sie stellt ein Stück Rechtssicherheit wieder her. Es spricht für sich, dass das BVerwG nicht auf die Argumentation des OVG eingegangen ist, dass die Herausnahme von Eignungsgebieten gar keine planerische Tätigkeit darstelle, da die planerisch relevanten Folgen gar nicht aus dem Handeln der Landesregierung resultieren, sondern lediglich eine Konsequenz aus der Anwendung von § 35 Absatz 3 Satz 3 BauGB darstellten. Ganz offenkundig ist die Landesregierung hier planerisch tätig geworden. Dazu ist nicht erforderlich, dass sich die Landesregierung als Planungsbehörde geriert und Aufgaben der Planungsverbände ausführt, sondern dass sie planerisch tätig wird, was sie durch die Herausnahme von Eignungsgebieten getan hat. Die Argumentation des OVG, dass die planerischen Folgen des Handelns der Landesregierung ausgeblendet werden können, da die planerischen Auswirkungen eine Konsequenz aus § 35 Absatz 3 Satz 3 BauGB seien, bewirkt eine unerträgliche Rechtsunsicherheit, denn es ist falsch, vor den planerischen Auswirkungen eines Handelns einfach die Augen zu verschließen und so zu tun als wenn es diese Auswirkungen nicht gäbe. Das Bundesverwaltungsgericht hat dieser Argumentation zu Recht eine Absage erteilt. Die Argumentation des OVG Greifwald war besonders vor dem Hintergrund, dass die Konzentrationsflächenplanung den ganz zentralen Gesichtspunkt bei der Windenergieplanung darstellt, nahezu grotesk, denn diese Wirkung wird einzig und allein über die Regelung des § 35 Absatz 3 Satz 3 BauGB bewirkt, die das OVG einfach ausgeblendet hat. Hinzu kommt noch, dass eine Festlegung der Umstände, wann davon ausgegangen werden kann, dass sich die Landesregierung als Planungsbehörde „geriert“ nicht zuverlässig möglich ist. Nach Auffassung des OVG Greifswald hätte es dazu eines aktiv planenden Verhaltens bedurft, was bei einer eigenständigen planerischen Bewertung des Abwägungsmaterials der Fall gewesen wäre. Daran fehlte es in dem entschiedenen Fall, vielmehr stützte sich die Landesregierung auf neue Erkenntnisse. Diese Argumentation hätte zur Folge, dass die Landesregierung sehr wohl planerisch tätig sein dürfte, wenn sie dabei nur das Abwägungsmaterial nicht beachtet und sich auf neue Erkenntnisse stützt. Praktisch würde man damit der Landesregierung das Planen anhand neuer Erkenntnisse gestatten, allerdings nur mit geschlossenen Augen im Hinblick auf das dem eigentlichen Planungsträger vorliegende Abwägungsmaterial. Das kann nicht richtig sein. Unbeantwortet hat das OVG außerdem die Frage gelassen, wie die Würdigung der Auswirkungen der neuen Erkenntnisse ohne Berücksichtigung des Abwägungsmaterials möglich sein soll, ohne dabei planerisch tätig zu werden. Darauf ist das Bundesverwaltungsgericht nicht eingegangen. Das war auch nicht notwendig, denn das BVerwG hat geurteilt, dass ein Verhalten das Planung ist, wie Planung zu behandeln ist. Eines wie auch immer gearteten „Gerierens“ bedarf es dazu nicht.

Durch die Entscheidung des BVerwG ist der Rahmen, innerhalb dessen die Landesregierung bei Regionalen Raumentwicklungsprogrammen selbst Hand anlegen kann, konkretisiert worden. Der Versuch, des OVG M-V, der Landesregierung das Planen unter kaum zuverlässig ermittelbaren Umständen ausnahmsweise zu gestatten, kann damit als gescheitert angesehen werden. Die Landesregierung M-V wird daher künftig bei Bedenken eine Zurückverweisung an den zuständigen Planungsverband vornehmen, anstatt selbst zu entscheiden. Praktische Folge der Unwirksamkeit von Regionalen Raumordnungsprogrammen ist häufig, dass es an einer den Anforderungen des § 35 Absatz 3 Satz 3 BauGB entsprechenden Flächenausweisung fehlt. Das hat wiederum zur Folge, dass die negative Ausschlusswirkung der Norm nicht bewirkt wird und grundsätzlich überall im Plangebiet im Sinne von § 35 BauGB Windenergieanlagen errichtet werden könnten. Diese Folge wird hier aber bereits deshalb nicht in Betracht kommen, weil die Planung auf den Stand vor der rechtswidrigen Änderung zurückfällt und die vorangegangenen Planungen von dem Mangel nicht betroffen sind.

Eine interessante Folgefrage ist, ob mit einer Änderung der Rechtsprechung des OVG Greifswald zur Auslegung von § 9 Absatz 5 LPlG M-V zu rechnen ist. Wie oben ausgeführt, legt das OVG Greifswald die Norm so aus, dass die Landesregierung nicht selbst planerisch tätig werden darf. Ich rechne nicht damit. Es zwar ganz offenkundig, dass das Gericht der Landesregierung einen gewissen Spielraum geben wollte. Eine andere Auslegung der Norm ist indessen nach dem Wortlaut der Norm und aufgrund der Zuweisung der planerischen Befugnisse an die Planungsverbände eher unwahrscheinlich.

Wichtiger Hinweis: Die Entscheidung ist unter www.landesrecht-mv.de veröffentlicht. Ein Hinweis auf die fehlende Rechtskraft bzw. die aufhebende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist dort nicht vorhanden (Stand 9. November 2015).