BVerwG stellt klar: dem DWD steht für die Frage, ob Windenergieanlagen ein Wetterradar stören, kein Beurteilungsspielraum zu, diese Frage unterliegt der vollen gerichtlichen Überprüfung, Abschaltauflage zulässige Nebenbestimmung, DWD Urteil Az. 4 C 2.16

Am 22. September 2016 hat das Bundesverwaltungsgericht in zwei Verfahren, die den Konflikt zwischen Windenergieanlagen (WEA) und Wetterradaren des Deutschen Wetterdienstes (DWD) zum Gegenstand haben, entschieden (BVerwG Aktenzeichen 4 C 2.16 und 4 C 6.15). Dem Verfahren zum Aktenzeichen 4 C 2.16 liegt ein Urteil des OVG Koblenz (Urteil vom 13. Januar 2016 – 8 A 10535/15.OVG) zugrunde. Der DWD geht gegen eine Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von drei WEA vor und trägt vor, dass die WEA das vom DWD im Eifelkreis Bitburg-Prüm betriebene Wetterradar stören und die Aufgabenwahrnehmung des DWD beeinträchtigen. Der öffentliche Belang der Funktionsfähigkeit von Radaranlagen nach § 35 Absatz 3 Satz 1 Nummer 8 BauGB sei nach Auffassung des DWD höher zu gewichten als das Interesse der Genehmigungsinhaber. Das OVG Koblenz entschied jedoch gegen den DWD: zwar liege eine Störung der Funktionsfähigkeit des Radars durch Fehlechos und Abschattungseffekte vor, diese habe indessen in der nachvollziehenden Abwägung hinter dem Interesse des Genehmigungsinhabers, die privilegierten WEA errichten und betreiben zu können, zurückzutreten. Das Verfahren zum Aktenzeichen 4 C 6.15 betrifft eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs München (VGH München, Urteil vom 18. September 2015 – 22 B 14.1263), in dem der DWD ebenfalls gegen die Genehmigung einer Windenergieanlage vorgeht, die im Umfeld eines Wetterradars errichtet werden soll. Der VGH München gelangte zu dem Ergebnis, dass die Funktionsfähigkeit des Radars zwar beeinträchtigt sei, dass die Beeinträchtigungen aber geringfügig seien und allenfalls den Erlass einer Nebenbestimmung rechtfertigen würden. Dem trat der DWD entgegen, unter anderem mit der Auffassung, dass die Vermeidung von Funktionsbeeinträchtigungen des Radars nicht Gegenstand von Nebenbestimmungen sein dürften, da darin eine Genehmigungsvoraussetzung zu erblicken sei, die nicht in die Nebenbestimmung „abgeschoben“ werden dürfe. Außerdem, so meinte der DWD in beiden Verfahren, stünde dem DWD ein Beurteilungsspielraum dahingehend zu, zu bestimmen, ob eine Funktionsbeeinträchtigung vorliege und ob diese die Grenzen der Zumutbarkeit überschreite.

Das BVerwG folgte nun im Ergebnis weitestgehend den Entscheidungen des OVG Koblenz und des VGH München. Zugleich liegt damit erstmals eine höchstrichterliche Entscheidung zum Konfliktfeld zwischen DWD-Wetterradaren und WEA vor, welche in einigen Bereichen für klare Linien sorgt.

Aktivlegitimation und Klagebefugnis des DWD kraft Aufgabenzuweisung

Gegen die Geltendmachung von Belangen durch den DWD wird von einigen betroffenen WEA-Betreibern ins Feld geführt, dass der DWD gar nicht zur Durchsetzung des Belangs nach § 35 Absatz 3 Satz 1 Nummer 8 BauGB berechtigt sei. Dahinter steht die Überlegung, dass der DWD selbst eine öffentlich-rechtliche Institution darstelle, die sich als solche nicht auf Grundrechte berufen könne. Grundrechte stellen Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat dar, sodass einer öffentlich-rechtlichen Stelle die Klagebefugnis abzusprechen sei. Dieser Argumentation, der bereits das OVG Koblenz (Urteil vom 13. Januar 2016 – 8 A 10535/15.OVG) und auch der VGH München (Urteil vom 18. September 2015 – 22 B 14.1263) nicht folgten, erteilte nun auch das BVerwG eine Absage. Sowohl Aktivlegitimation als auch Klagebefugnis sind dem DWD kraft gesetzlicher Aufgabenwahrnehmung (§ 4 DWDG) zuzusprechen. Wenn dem DWD die Aufgaben zugewiesen sind, so ist die Durchsetzung der für die Aufgabenwahrnehmung erforderlichen Rechtspositionen – und damit auch des Belangs nach § 35 Absatz 3 Satz 1 Nummer 8 BauGB – Sache des DWD. Diese Klarstellung ist konsequent, denn es ist anerkannt, dass Träger öffentlicher Gewalt sich zur Durchsetzung von Rechtspositionen auf ihre kraft besonderen Verwaltungsrechts geltende Aufgabenzuweisung berufen können, beispielsweise im Bereich der durch die Verwaltung wahrzunehmenden Staatsaufsicht über Kammern, bei der Wahrnehmung von Kammeraufgaben durch Kammern oder beim Recht der Landesmedienanstalten, wenn es um die Durchsetzung der durch diese wahrzunehmenden Aufgaben geht. Was bereits vorher nicht ernsthaft zu bezweifeln war, wurde nun durch das BVerwG bestätigt: Der DWD ist nicht bloß gesetzlich zur Wahrnehmung seiner Aufgaben berufen (DWDG), sondern kann die Rechtspositionen auch im Wege des Widerspruchs und vor dem Verwaltungsgericht geltend machen.

Weder Beurteilungsspielraum noch „begrenzter Regelungsspielraum“

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist richtungsweisend, weil das Gericht dem DWD bezüglich der Frage, ob die Funktionsfähigkeit des Radars beeinträchtigt wird, einen Beurteilungsspielraum ausdrücklich versagt hat. Ein Beurteilungsspielraum stellt gewissermaßen eine behördliche Letztentscheidungskompetenz dar, die gerichtlich nur sehr eingeschränkt überprüfbar ist. Deshalb stellt die Zubilligung eines Beurteilungsspielraums, was im Verwaltungsrecht eine Ausnahme darstellt, stets einen Eingriff in die Garantie des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Absatz 4 Satz 1 GG) und die Gesetzesbindung der Gerichte (Art. 20 Absatz 3, 97 Absatz 1 GG) dar und bedarf einer besonderen Rechtfertigung. Im besonderen Verwaltungsrecht finden sich einige Beispiele für einen Beurteilungsspielraum: Im Naturschutzrecht ist dieser dort als naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative bezeichnete Spielraum ebenso anerkannt wie bei Prüfungsentscheidungen oder der Ausübung planerischer Tätigkeiten. Aufgrund der Beschränkung von Art. 19 Absatz 4 Satz 1 GG und Art. 20 Absatz 3, 97 Absatz 1 GG ist ein Beurteilungsspielraum nur dann zuzuerkennen, wenn dafür eine gesetzliche Grundlage existiert. Eine solche Grundlage beinhaltet das DWDG, so hat es das Bundesverwaltungsgericht nun bestätigt, nicht. Festgehalten werden kann außerdem, dass das Gericht einen Beurteilungsspielraum nicht unmittelbar aus dem Grundgesetz hergeleitet hat und dass dem DWD auch ein so genannter „begrenzter Regelungsspielraum“ nicht zuerkannt worden ist. Einen begrenzten Regelungsspielraum hat das BVerwG jüngst dem Bundesamt für Flugsicherung (BAF) zuerkannt für die Frage, ob WEA die für die Flugsicherung relevanten Drehfunkfeuer beeinträchtigen (Urteil vom 7. April 2016 – 4 C 1.15). Der Sache nach handelt es sich dabei um einen Spielraum, der dem BAF eine eigene, gerichtlich nicht überprüfbare Einschätzungskompetenz einräumt. Die Rechtslage ist indessen bei Drehfunkfeuern nicht mit der hier anzuwendenden Rechtslage vergleichbar, denn eine § 18a Absatz 1 Satz 2 LuftVG vergleichbare Regelung ist im DWDG nicht enthalten, was durch das Bundesverwaltungsgericht nun bestätigt worden ist. Damit unterliegt die Frage, ob die Aufgabenwahrnehmung des DWD durch WEA gestört wird, der vollen gerichtlichen Prüfung.

Nachvollziehende Abwägung

Das BVerwG bestätigt die bereits existierende obergerichtliche Rechtsprechung darin, dass allein eine Störung der Funktionsfähigkeit des Radars im Sinne von § 35 Absatz 3 Satz 1 Nummer 8 BauGB nicht dazu führt, dass dieser Belang gegenüber WEA den Vorrang genießt. Vielmehr ist dieser Belang in eine Abwägung einzustellen, bei der unter anderem das Gewicht der Beeinträchtigung zu berücksichtigen ist. Eine bloß geringfügige Beeinträchtigung wird sich in der Regel nicht gegen Vorhaben durchsetzen, die selbst eine gesteigerte Durchsetzungskraft haben. So liegt es bei der Windenergie im entschiedenen Fall, denn diese gehört gemäß § 35 Absatz 1 Nummer 5 BauGB zu den privilegierten Außenbereichsvorhaben und setzt sich jedenfalls dann gegenüber dem Interesse des DWD durch, wenn die Beeinträchtigungen nur geringfügig sind.

Zumutbare Abhilfemaßnahmen?

Vor Verwaltungsgerichten wird immer wieder darüber gestritten, ob der DWD die durch WEA verursachten Beeinflussungen durch technische Mittel, z. B. die so genannte POLARIS-Software, beheben beziehungsweise vermeiden kann. Auch hier ist zwischen den möglichen Beeinflussungen zu unterscheiden. Verschattungswirkungen können auftreten, wenn Windenergieanlagen innerhalb eines 5-Kilometer-Radius um das Wetterradar belegen sind. Es besteht die Möglichkeit, die durch die Windenergieanlage verschatteten Bereiche anhand von benachbarten Daten im Wege der Interpolation zu rekonstruieren. Damit können zwar Lücken geschlossen werden, allerdings erfolgt diese Ausfüllung anhand von Daten aus dem nicht verschatteten Bereich, sodass die im verschatteten Bereich nicht gewonnenen Daten nach wie vor fehlen. An dieser Stelle ist daher zu befürchten, dass möglicherweise wichtige Daten verloren gehen. Dieser Effekt verstärkt sich mit abnehmender Entfernung zwischen Radar und WEA. Was Verschattungswirkungen anbelangt, die in praktisch relevantem Umfang allerdings nur bei weniger als 5 Kilometer entfernten WEA auftreten, besteht derzeit daher keine technische Lösung. Darüber hinaus können Beeinflussungen in Gestalt so genannter Fremdziele bzw. Clutter auftreten, die besonders durch den drehenden Rotor hervorgerufen werden. Hierdurch können Warnschwellen für die Bestimmung von Wetterereignissen beeinflusst werden. Solche Beeinflussungen können indessen durch geringfügige Änderungen an dem vom DWD angewandten System vermieden werden, indem ungestörte Referenzpunkte im Radarbild herangezogen werden. Das ist ohne Verlust von Daten möglich, da im Rahmen des so genannten „nächster-Nachbar-Verfahrens“ ohnehin nur ein Bruchteil der Daten verwendet wird und lediglich sicherzustellen wäre, dass nur unbeeinflusste Daten Verwendung finden. Da WEA-bedingte Clutter nur im unmittelbaren Umfeld von Windenergieanlagen auftreten, kann eine Unterscheidung zwischen beeinflussten und unbeeinflussten Daten von vornherein zuverlässig getroffen werden. Hiergegen hat der DWD eingewendet, dass eine solche Umstellung zwar möglich wäre aber einen unzumutbaren Aufwand darstellen würde, da das System deutschlandweit umgestellt werden müsste. Auf diese Fragestellung kam es in den Verfahren des BVerwG nicht an, da es im Fall des OVG Koblenz keine überwiegenden unzumutbaren Beeinträchtigungen gab, denen hätte entgegengetreten werden müssen. Im Fall des VGH München spielte die Frage ebenfalls keine tragende Rolle, da hier eine Zurückverweisung vorgenommen worden ist, dazu nachstehend.

Vermeidung von Funktionsbeeinträchtigungen durch Nebenbestimmungen?

Im Verfahren vor dem VGH München, Urteil vom 18. September 2015 – 22 B 14.1263, wurde thematisiert, dass die zu erwartenden Beeinträchtigungen des Radars nicht die Versagung der Genehmigung, sondern allenfalls die Beifügung von Nebenbestimmungen rechtfertigen. Da der DWD sich in seiner Aufgabenwahrnehmung in Gestalt von Warnungen vor Extremwettersituationen gestört sieht, könnte eine Bestimmung, die eine Abschaltung der WEA bei bestimmten potenziell warnwürdigen Wettersituationen vorschreibt, Abhilfe schaffen. Dadurch würde die Über-oder Unterschreitung von Warnschwellen durch das Drehen der WEA vermieden. Der DWD sträubte sich stets gegen eine solche Regelung und begründete dies mit rechtlichen und tatsächlichen Argumenten: Nach Auffassung des DWD regele eine solche Nebenbestimmung den Belang nach § 35 Absatz 3 Satz 1 Nummer 8 BauGB, dessen Unberührtsein aber eine Genehmigungsvoraussetzung darstelle. Wenn die Genehmigungsvoraussetzung nicht vorliege, könne keine Genehmigung erteilt werden. Außerdem sei die Durchführung der Nebenbestimmung in Gestalt einer Abschaltauflage tatsächlich nicht umsetzbar, da nicht sichergestellt werden könne, dass die WEA tatsächlich abgeschaltet werde. Hiergegen war einzuwenden, dass Nebenbestimmungen, die Genehmigungsvoraussetzungen betreffen, gerade im Immissionsschutzrecht keine Seltenheit sind, zumal sie auch als modifizierende Inhaltsbestimmung interpretiert werden können. Allemal bei einer solchen Interpretation begegnen Regelungen, die Genehmigungsvoraussetzungen betreffen, keinen rechtlichen Bedenken. Die seitens des DWD ins Feld geführten praktischen Bedenken sind dadurch zu widerlegen, dass der DWD solche Abschaltauflagen andernorts bereits jahrelang praktiziert, und zwar mit guten Erfahrungen. Das BVerwG hat sich nun der Rechtsauffassung des VGH München insoweit angeschlossen, als dass eine Abschaltauflage Gegenstand eines BImSchG-Genehmigungsbescheids sein kann. Nach § 12 Absatz 1 BImSchG kann die Genehmigung zur Sicherstellung der Genehmigungsvoraussetzungen (§ 6 BImSchG) mit Nebenbestimmungen versehen werden. Dass die Abschaltauflage insoweit Genehmigungsvoraussetzungen betrifft, macht die Nebenbestimmung nicht rechtswidrig. Allerdings hätte der VGH München bezüglich besonders kleinräumiger, kurzlebiger Wetterereignisse prüfen müssen, ob das Radar insoweit gestört wird. Da er das nicht getan hat, erfolgt eine Zurückverweisung an den VGH München. Der DWD wird sich künftig nicht mehr darauf zurückziehen können, die Abschaltauflage schlichtweg abzulehnen, sondern er wird sich – was er bislang strikt ablehnte – damit auseinanderzusetzen haben, ob die in der Nebenbestimmung in räumlicher und sachlicher Hinsicht enthaltenen Regelungen den Erfordernissen gerecht werden. Spiegelbildlich können Genehmigungsbehörden nicht “sicherheitshalber” Abschaltauflagen erlassen, sondern müssen prüfen, ob die Voraussetzungen dafür vorliegen. Sofern sie sich dazu auf externen Sachverstand stützen, etwa in Gestalt einer gutachtlichen Stellungnahme, in der eine solche Abschaltauflage fundiert vorgeschlagen wird, dürfte das den Anforderungen gerecht werden. Festzuhalten bleibt: Abschaltauflagen zur Vermeidung der Beeinträchtigung von Wetterradaren sind grundsätzlich zulässig.

Richtungsweisend: Auswirkungen auf andere Fälle?

Die Entscheidung ist über den entschiedenen Einzelfall hinaus relevant, denn man kann sie als Bekräftigung eines jüngst in der Rechtsprechung auszumachenden windenergiefreundlichen Trends ansehen (VGH München, Urteil vom 18. September 2015 – 22 B 14.1263; OVG Koblenz Urteil vom 13. Januar 2016 – 8 A 10535/15.OVG = Vorinstanzen). Festzuhalten ist indessen, dass der Vorrang der Windenergie bei Beeinträchtigungen von Wetterradaren nicht pauschal gilt, sondern stets das Ergebnis einer Abwägung ist. Dabei spielt das Ausmaß der Beeinträchtigung eine maßgebliche Rolle. Und dieses sachverständig zu ermittelnde Ausmaß ist in der Regel von der Entfernung der Windenergieanlage vom Radar abhängig: je weiter eine Windenergieanlage vom Radar entfernt ist, umso geringer sind in der Regel die Beeinträchtigungen. Noch vor einigen Jahren hieß es aus DWD-Kreisen, dass bei einer Entfernung von mehr als fünf Kilometern nicht mehr mit Beeinträchtigungen zu rechnen ist. Davon ist der DWD mittlerweile abgerückt, denn er greift Genehmigungen für WEA an, die sich in einer Entfernung bis zu 15 Kilometer vom Radar befinden. Hierin liegt eine besondere Schwierigkeit für weitere Verfahren, denn der DWD versucht durch eine regelrechte Flut an radartechnischen und meteorologischen Argumenten darzulegen, dass die Funktionsfähigkeit des Radars durch die jeweils genehmigte WEA beeinträchtigt wird. An der vom BVerwG bestätigten Grundaussage, dass die Beeinträchtigungen im Einzelnen darzulegen sind, ändert das zunächst einmal nichts. Es wird aber sowohl für die Genehmigungsinhaber als auch für die Gerichte schwieriger, den Behauptungen des DWD fundiert entgegenzutreten. In Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (§ 80 Absatz 5 VwGO) spielt dies eine besondere Rolle, da das Gericht nicht wie in einem Hauptsacheverfahren ermittelt, sondern unter dem Eindruck des Sachvortrags der Parteien eine Abwägung vornimmt. Den Wissensvorsprung bezüglich der technischen Details versucht der DWD taktisch auszunutzen. Richtig ist zwar, dass der DWD, insbesondere was radartechnische und meteorologische Dinge anbelangt, über Fachwissen verfügt. Das allein ersetzt aber nicht den Nachweis, dass und gegebenenfalls wie stark die Aufgabenwahrnehmung des DWD durch eine WEA beeinträchtigt ist. Und dieser Nachweis ist, wie es das BVerwG nun bestätigt hat, vollen Umfangs gerichtlich überprüfbar.

Hohe Anforderungen an den Nachweis der Störung

Anders als dies bei der Zubilligung eines Beurteilungsspielraums oder einer beschränkten Regelungsbefugnis (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. April 2016 – 4 C 1.15) möglich wäre, kann sich der DWD daher nicht darauf zurückziehen vorzutragen, dass die WEA nach Dafürhalten des DWD das Radar beeinträchtigt. Vielmehr ist es aus Sicht des DWD in Verfahren nach § 80 Absatz 5 VwGO notwendig, dass dargelegt und glaubhaft gemacht wird, dass die konkrete WEA das konkrete Radar mehr als nur unerheblich stört. Bezugnahmen auf andere Fälle, in denen vermeintliche Beeinträchtigungen vorgekommen sind, genügen nicht. Anzumerken ist an dieser Stelle, dass solche Bezugnahmen in bisherigen Verfahren in der Regel nicht vergleichbar und sogar grob irreführend beziehungsweise fehlerhaft waren. So versuchte der DWD die durch WEA bewirkte Abschattungswirkung durch Radarbilder nachzuweisen, auf denen eine so genannte Negativspeiche zu erkennen ist, vergleichbar mit einer durch die WEA bewirkten Verschattung. Allerdings verschwieg der DWD zwei maßgebliche Aspekte: die WEA in dem vermeintlichen Beispielfall befand sich in lediglich ca. 1 Kilometer Entfernung zum Wetterradar und damit sehr nahe. Windenergieanlagen in einer Entfernung von mehr als 5 Kilometer sind hingegen in der Regel unkritisch. Außerdem ist die Negativspeiche durch eine mehrwöchige Aufsummierung von Niederschlagsdaten visualisiert worden. Wenn aber bei einer solchen Aufsummierung von Niederschlagsdaten Negativspeichen auftreten, so hat das keine Auswirkungen auf die Warntätigkeit des DWD. Die Es finden sich zahlreiche weitere Ungereimtheiten, indem der DWD beispielsweise unter Vorlage von Radarbildern behauptet, dass eine Gewitterzelle aufgrund eines zwischen Radar und Gewitterzelle befindlichen Windparks nicht erkannt worden sei, dabei aber verschweigt, dass sich in viel geringerer Entfernung zum Radar ein weiterer, sehr großer Windpark befindet. Mit der gebotenen Zurückhaltung würde man sagen, dass nicht auszuschließen ist, dass das Nichterkennen der Gewitterzelle zumindest auch auf den viel näher gelegenen Windpark zurückzuführen ist. Dass dieser Windpark verschwiegen wird, legt nahe, dass der DWD bewusst maßgebliche Fakten verschweigt. Angesichts des Umstandes, dass der DWD sich nicht auf einen Beurteilungsspielraum berufen kann, muss der DWD seinen Sachvortrag nicht bloß widerspruchsfrei, sondern auch deutlich konkreter fassen. Wenn er das tut, ist es wiederum Sache des Genehmigungsinhabers bzw. der Genehmigungsbehörde, dies zu widerlegen.

Ausblick

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts kann als Bestätigung und konsequente Fortsetzung der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung zu Konflikten zwischen Windenergieanlagen und DWD-Wetterradaren angesehen werden und stellt in einigen Aspekten Rechtssicherheit her. Klar ist nun auch, dass der DWD nicht bloß auf vermeintliche Vergleichsfälle verweisen darf, sondern dass er die Beeinträchtigung des Radars im Kontext mit seiner gesetzlichen Aufgabenwahrnehmung in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Absatz 5 VwGO konkret darlegen und glaubhaft machen muss bzw. dass dies in einem Hauptsacheverfahren, in dem gemäß § 86 Absatz 1 VwGO der Amtsermittlungsgrundsatz gilt, festgestellt werden muss. Insoweit ist zu erwarten, dass Widersprüche und Eilanträge des DWD von Gerichten künftig eher kritisch geprüft werden. Das als Befreiungsschlag für die Windenergie zu werten, wäre allerdings übertrieben, denn in anderen Verfahren ist der DWD nicht an die Argumente gebunden, die im nun entschiedenen Fall geprüft und gewürdigt worden sind. Vielmehr kann der DWD in anderen Verfahren jederzeit anders bzw. besser argumentieren. Zu bedenken ist auch, dass der DWD als Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur ein offenes Ohr beim Bundesgesetzgeber finden dürfte, wenn es darum geht, das DWDG um einen Beurteilungsspielraum zu ergänzen. Wenn das passiert, hätten die Kläger des Verfahrens vor dem BVerwG der Energiewende einen Bärendienst erwiesen, denn dann wird die Errichtung neuer WEA im 15-Kilometer-Umkreis um jedes Wetterradar in Deutschland praktisch unmöglich, wenn der DWD unter Ausnutzung seiner Beurteilungsmacht „nein“ sagt. Eine solche Gesetzesänderung würde zudem bewirken, dass der Anreiz zur Entwicklung technischer Möglichkeiten zur Vermeidung von Beeinträchtigungen wegfällt. Denn der DWD wird sich damit nicht befassen, wenn dafür keine Notwendigkeit besteht.

Anmerkung:

BVerwG, Urteil vom 22. September 2016 – 4 C 6.15; VGH München, Urteil vom 18. September 2015 – 22 B 14.1263; VG Regensburg, Urteil vom 17. Oktober 2013 – RO 7 K 12.1702

BVerwG, Urteil vom 22. September 2016 – 4 C 2.16; OVG Koblenz Urteil vom 13. Januar 2016 – 8 A 10535/15.OVG; VG Trier, Urteil vom 23. März 2015 – 6 K 869/14.TR

Eine eingehende Auswertung der Entscheidungsgründe der Urteile des Bundesverwaltungsgerichts, die zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Beitrags noch nicht vorlagen, bleibt vorbehalten.