BVVG-Klausel zu Entschädigung bei Nutzung landwirtschaftlicher Fläche für Windenergie unwirksam (LG Berlin – 19 O 207/14, nicht rechtskräftig)

Eine Entscheidung mit weitreichenden Konsequenzen hat das Landgericht Berlin (Urteil vom 24. Februar 2015 – 19 O 207/14, nicht rechtskräftig) gefällt. Nach dem Beitritt der neuen Bundesländer zur Bundesrepublik übertrug man zunächst der Treuhandanstalt und sodann Treuhandunternehmen die Aufgabe, ehemals volkseigene Liegenschaften und Güter zu verwalten und zu privatisieren (BvS, BVVG, LMBV, EWN). Im Hinblick auf ehemals volkseigene landwirtschaftliche und forstwirtschaftliche Flächen kam diese Aufgabe der BVVG Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH zu. Rechtsgrundlagen waren unter anderem das Ausgleichsleistungsgesetz (AusglLeistG) und die Flächenerwerbsverordnung (FlErwV). Danach konnten bestimmte Personen, nämlich Alteigentümer, Wiedereinrichter und Neueinrichter, Flächen zu bevorzugten Konditionen erwerben. Kehrseite der Medaille ist indessen, dass die Erwerber für 15 Jahre (bei weiter zurück liegenden Käufen 20 Jahre) mit einem Veräußerungs- und Verfügungsverbot belegt worden sind. In dem vom Landgericht Berlin entschiedenen Fall enthielt der Kaufvertrag in § 10 die Bestimmung, dass der Erwerber für den Fall, dass er das Grundstück für die Errichtung von Windenergieanlagen nutzen möchte, einer Zustimmung des Verkäufers bedurfte und eine Entschädigung in Höhe von 75% des auf die Gesamtnutzungsdauer der Anlage entfallenden kapitalisierten Entschädigungsbetrags zu leisten hatte. Der Erwerber beabsichtigte auf einem Teil des Grundstücks (1,41% der Gesamtfläche) Windenergieanlagen errichten zu lassen. Der Erwerber wandte sich mit seiner Klage gegen die im Vertrag vorgesehene Entschädigung. Er begehrte festzustellen, dass er nicht verpflichtet sei, die BVVG in die Verhandlungen mit dem Windenergieanlagenprojektierer einzubeziehen und ihr eine Entschädigung zu zahlen. Das LG Berlin gab der Klage statt. Das Gericht stützt seine Entscheidung auf folgende Gründe: Der Kaufvertrag sei als Allgemeine Geschäftsbedingung zu qualifizieren und die darin enthaltenen Entschädigungsregelungen verstoßen gegen das Verbot der unangemessenen Benachteiligung (§ 307 BGB). Aus der FlErwV ergebe sich nicht, dass die BVVG an einer der Zweckbindung widersprechenden Nutzung finanziell beteiligt werden soll. Außerdem werde der Erwerber unangemessen benachteiligt, denn die Entschädigung soll sich nach der Gesamtnutzungsdauer der Windenergieanlage bemessen – die 20 bis 30 Jahre betrage – wohingegen die in der FlErwV vorgesehene Bindung lediglich 15 Jahre betrage. Ferner sei es nicht zumutbar, dass die hohe Entschädigung bereits innerhalb eines Monats an die BVVG zu zahlen sei, wohingegen der Erwerber eine Beteiligung an den Einspeiseerlösen nur in jährlichen Teilzahlungen über einen Zeitraum von 20 Jahren erhalte.

Die BVVG hat gegen das Urteil des Landgerichts Berufung eingelegt. Mit Spannung darf die Entscheidung des Kammergerichts abgewartet werden (Az. 28 U 7/15). Bestätigt dieses die Entscheidung des Landgerichts, hätte dies erhebliche Auswirkungen auf den praktischen Umgang der BVVG mit ähnlich gelagerten Fällen. Auch für Altfälle, in denen Erwerber hohe Entschädigungszahlungen geleistet haben, ist die Entscheidung von Bedeutung, denn in diesen Fällen kommt eine Rückforderung der geleisteten Zahlungen in Betracht, entweder weil die Zahlungen ohne Rechtsgrund geleistet worden sind (§ 812 BGB) oder, in Fällen, in denen sich die Erwerber mit der BVVG vertraglich auf eine Entschädigungssumme geeinigt haben, weil die Parteien ein unzutreffendes Verständnis von den rechtlichen Grundlagen gehabt haben und deshalb eine Anpassung der geschlossenen Verträge verlangen können (§ 313 BGB, so genannter Wegfall der Geschäftsgrundlage – WGG). Es ist indessen keineswegs klar, dass das Kammergericht die Entscheidung bestätigt. Es kann nämlich durchaus kritisch hinterfragt werden, ob die BVVG Verträge anhand der für AGB geltenden Maßstäbe zu prüfen sind. Denn wenn die Verträge lediglich umsetzen, was bereits gesetzlich vorgeschrieben ist, dürfte dieser Prüfungsmaßstab nicht anzuwenden sein. Was die vom Landgericht angenommene unzumutbare Benachteiligung anbelangt, sind ebenfalls Zweifel angezeigt, denn die Aussage, dass das Gesetz nicht explizit vorsehe, dass die BVVG an einer zweckwidrigen Nutzung finanziell beteiligt werden soll, mag in dieser Deutlichkeit zutreffen. Diese Argumentation vernachlässigt aber die Systematik der FlErwV, denn darin ist vorgesehen, dass die BVVG vom Kaufvertrag zurücktreten kann, wenn die Zweckbindung nicht eingehalten wird. Eine Lösung von der Zweckbindung ist nur dann zulässig, wenn der Erwerber die Differenz zwischen dem Erwerbspreis und dem zum Zeitpunkt der Entscheidung der BVVG ermittelten Verkehrswert zahlt (vgl. § 12 Absatz 3a FlErwV). Insoweit ist in Fällen der Nichteinhaltung der Zweckbindung sehr wohl eine finanzielle Beteiligung vorgesehen. Dem Argument, dass die Entschädigung der Summe nach unangemessen hoch sei, kann man entgegensetzen, dass die Höhe der Entschädigung bereits von Gesetzes wegen mit fortschreitender Zeit abgesenkt wird (vgl. § 3a Absatz 1 S. 2 FlErwV). Wenn der Vertrag indessen diese Absenkung nicht widerspiegelt, kann die Regelung aber durchaus bezweifelt werden.