Die Informations- und Wartepflicht aus § 134 Abs. 2 GWB – „Wann ist ein Feiertag ein Feiertag“?

Eine vermeintlich eindeutige gesetzliche Regelung: „Ein Vertrag darf erst 15 Kalendertage nach Absendung der Information nach Absatz 1 geschlossen werden.“ Man könnte meinen, dass der Begriff „Kalendertag“ keine Unterscheidung danach trifft, ob der jeweilige Tag ein Werktag, ein Wochenendtag oder ein gesetzlicher Feiertag ist.

Viele kennen aber die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 05.10.2016, Verg 24/16, wonach die Frist des § 134 GWB nicht wirksam in Lauf gesetzt wird, wenn sie so über die (in dem Fall Oster-) Feiertage gelegt wird, dass einem Bieter nur 4 bis 5 Tage Zeit verbleiben, um einen Nachprüfungsantrag stellen zu können, bzw. überprüfen zu können, ob er das wünscht. Die Vergabekammern, die einen Nachprüfungsantrag erst zustellen müssen, damit die Zuschlagserteilung verhindert wird (§ 169 Abs. 1 GWB), sind zudem an Freitagen oft nur bis Mittag besetzt.

Die Vergabekammer Südbayern knüpft mit einer Entscheidung vom 04.08.2022 (Aktenzeichen: 3194.Z3-3_01-22-1) hieran an. In dem Fall der VK Südbayern war das Vorinformationsschreiben am 23.12.2021 versandt und darin der Zuschlagstermin 03.01.2022 angegeben worden. Damit wären dem Bieter dem Grunde nach (bei Abzug des 25. und 26.12. und des 01.01. – die auf Wochenendtagen lagen) noch 7 Kalendertage geblieben.

Für die Vergabekammer war maßgebend, dass die Regierung von Oberbayern am 24.12. und am 31.12. dienstfrei hat, sodass an diesen Tagen ein Nachprüfungsantrag nicht hat gestellt werden können. Tatsächlich hätte der Antrag daher bis 30.12. (Donnerstag) mittags gestellt werden müssen. Damit wären einem Bieter nur 4 ½ Arbeitstage geblieben, was an der untersten Grenze der durch die Rechtsprechung tolerierten faktischen Verkürzung des Überprüfungszeitraums nach § 134 Abs.2 GWB liege.

Die Entscheidung ist insofern interessant, weil sie der Vergabestelle nicht nur abverlangt, gesetzliche Feiertage, sondern auch solche Tage bei der Fristberechnung nach § 134 GWB zu berücksichtigen, an denen die Vergabekammern dienstfrei haben. Dem Bieter in dem Verfahren hat diese Begründung durch die Vergabekammer aber nicht geholfen. Denn die VK Südbayern hat entschieden, dass trotzdem die Frist zu kurz war, der Zuschlag wirksam erteilt wurde. Denn nicht die zu kurze Frist, sondern die mangelnde Organisation des Bieters selbst hätte die verspätete Stellung des Nachprüfungsantrags bewirkt. Der Bieter hätte die Urlaubsvertretung für den bei ihm für das Vergabeverfahren beschäftigten Sachbearbeiter besser organisieren müssen. Der verspätete Nachprüfungsantrag habe damit – so die VK Südbayern – nicht auf der zu kurzen Frist, sondern auf einem internen Organisationsfehler des Bieters beruht.

Fazit aus dieser Entscheidung: Die Vergabestelle muss nicht nur die Feiertage, sondern auch die dienstfreien Zeiten der Vergabekammer kennen und berücksichtigen. Der Bieter muss nicht nur wissen, dass Vergabekammern am Freitag nur bis Mittag besetzt sind, sondern muss einen Nachprüfungsantrag auch binnen einer eigentlich zu kurzen Frist einreichen.

Die Entscheidung zeigt einmal mehr die Komplexität des Vergaberechts – sei es für Bieter, sei es für Vergabestellen. ANDRESEN RECHTSANWÄLTE stehen Ihnen in jeder Verfahrenslage beratend zur Seite.

von Rechtsanwalt Carl-Henning Clodius