Das EEG 2017 hat für die Windenergie an Land eine neue Ära eingeläutet. Während die Förderung bislang über feste Vergütungssätze erfolgte, wird die Höhe der Förderung nahezu sämtlicher neuer Windenergieanlagen fortan über Ausschreibungen ermittelt. Diejenigen Bieter, die die geringste Vergütung bieten, erhalten den Zuschlag. Teure Bieter gehen hingegen leer aus. Das stellt einen Schritt in Richtung Wettbewerb dar. Das ist konsequent, denn EE-Anlagen sollen mittelfristig nicht bloß technisch, sondern auch wettbewerblich so integriert werden, dass sie Bestandteil des Marktes werden, was bei tendenziell sinkenden Kosten dann erreicht werden kann, wenn der saubere Strom nicht teurer als konventionell erzeugter Strom ist, beispielsweise aus Braun- oder Steinkohle oder Kernenergie.
Das EEG 2017 macht indessen bei der technologiespezifischen Ausschreibung, das heißt bei einer Ausschreibung entweder für Windenergieanlagen oder für Photovoltaikanlagen nicht halt. Im EEG 2017 findet sich bereits ein Ansatz für technologieübergreifende Ausschreibungen (vgl. § 28 Absatz 1a Nummer 2, § 88c EEG 2017), die ab 2018 im Umfang von 400 MW jährlich für Windenergie und Photovoltaik gemeinsam stattfinden sollen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) hat nun ein Eckpunktepapier vorgelegt, welches den Rahmen für dieses besondere Ausschreibungsverfahren abstecken soll:
Keine Anwendung des Referenzertragsmodells
Bei gemeinsamen Ausschreibungen soll das Referenzertragsmodell keine Anwendung finden. Das Referenzertragsmodell bewirkt, dass durch die Anwendung eines standortspezifischen Korrekturfaktors bei windstarken Standorten die Vergütung reduziert wird, wohingegen windschwache Standort eine höhere Vergütung erhalten (vgl. § 36h EEG 2017). Die Nichtanwendung des Referenzertragsmodells bedeutet, dass eine über den Korrekturfaktor erreichbare Anpassung an den konkreten Standort nicht stattfindet. Es werden daher alle Standorte gleichbehandelt, wodurch windreiche Standorte bevorteilt werden.
Gemeinsamer Höchstwert
Für die technologieübergreifende Ausschreibung im Jahr 2018 soll als gemeinsamer Höchstwert der für die Photovoltaik vorgesehene Höchstwert (§ 37b EEG) gelten. In windreichen Landkreisen sollen darüber hinaus, worauf sogleich zurückzukommen ist, andere Höchstwerte festgelegt werden.
Privilegien der Bürgerenergiegesellschaften gelten nicht
An den gemeinsamen Ausschreibungen sollen sich zwar auch Bürgerenergiegesellschaften beteiligen können, jedoch sollen die für sie gesetzlich vorgesehenen Privilegierungen (vgl. § 36g EEG 2017) keine Anwendung finden. Durch die Ausnahme soll die Vergleichbarkeit gewahrt werden, da die Realisierungsphase bei Bürgerenergiegesellschaften länger dauern kann als bei herkömmlichen Vorhaben. Da die Beschränkungen aufgrund der Netzausbaugebietsverordnung auch bei den gemeinsamen Ausschreibungen gelten sollen, werden die für die Bürgerenergiegesellschaften geltenden Vorteile erheblich beschränkt. Im Netzausbaugebiet stehen jährlich 902 MW zur Verfügung, d. h. bei den 2018 stattfindenden Ausschreibungsterminen zu je 700 MW entfallen auf jeden Termin 225,5 MW auf das Netzausbaugebiet. Eine Anzahl von nur 13 Bürgerenergiegesellschaften, welche die 18 MW-Beschränkung voll ausnutzen, überschreitet dieses Kontingent bereits. Zieht man davon nun auch noch das für die gemeinsamen Ausschreibungen vorgesehenen Mengen ab (128,86 MW, d. h. je Termin 32,21 MW), stehen im Netzausbaugebiet lediglich 193,29 MW je Termin zur Verfügung, sodass lediglich 11 Bürgerenergiegesellschaften, wenn sie denn die 18 MW-Grenze voll ausnutzen würden, eine Chance hätten, ihre Vorhaben unter privilegierten Maßgaben zu realisieren. Zumindest im Hinblick auf die Bürgerenergiegesellschaften kann die gemeinsame Ausschreibung daher als Rückschritt gesehen werden.
Verteilernetzausbaugebiete und Verteilernetzkomponente
Anlässlich der gemeinsamen Ausschreibungen soll neben den im Netzausbaugebiet bestehenden Beschränkungen auch noch ein weiteres Instrument, nämlich die Verteilernetzkomponente, eingeführt werden. Dabei handelt es sich um einen Aufschlag, der bei Vorhaben Anwendung findet, die in Landkreisen errichtet werden sollen, in denen der Zubau von Anlagen einen Netzausbau bzw. einen Verteilernetzausbau auslösen. Nach dem gegenwärtigen Konzept soll die Verteilernetzkomponente eine fiktive Verteuerung der Gebote bewirken, welche sich bei der Reihung der Gebote auswirkt aber die keine Auswirkung auf die Vergütung haben soll. Betroffene Vorhaben werden damit künstlich teurer gemacht und erhalten dadurch in der Reihung der Gebote einen hinteren und damit ungünstigeren Platz und eine verringerte Chance auf einen Zuschlag.
Durch eine Einteilung von Landkreisen sollen zunächst individuelle Verteilernetzausbaugebiete festgelegt werden, in denen der Zubau von EE-Anlagen einen Netzausbau erforderlich macht. Die Verteilernetzausbaugebiete sind zwar nicht identisch mit dem Netzausbaugebiet nach der Netzausbaugebietsverordnung, voraussichtlich werden jedoch im wesentlichen dieselben Flächen betroffen sein. Die Festlegung von Kapazitätsfaktoren für Windenergie und Photovoltaik soll dem Umstand Rechnung tragen, dass beide Technologien nicht gleichzeitig einspeisen und über einen Minimallastfaktor soll die der maximalen Einspeiselast gegenüberstehende Mindestlast berücksichtigt werden. Bei der Ermittlung der Höhe des Gebotsaufschlags wird ein aus den Netzausbaukosten abgeleiteter Basiswert zugrunde gelegt, der mit dem jeweiligen Kapazitätsfaktor zu multiplizieren ist. Die Verteilernetzausbaukomponente soll dem Ausbaubedarf im Verteilernetz Rechnung tragen, trifft aber nach Maßgabe des Eckpunktepapiers gleichermaßen EE-Anlagen, die am Übertragungsnetz (Höchstspannungsnetz) angeschlossen werden. Diese EE-Anlagen, sollten indessen nicht mit einem fiktiven Aufschlag auf das Gebot belastet werden, denn von ihnen geht keine zusätzliche Belastung des Verteilernetzes aus. Außerdem haben Betreiber solcher Anlagen i.d.R. einen hohen Aufwand zum Anschluss an das Höchstspannungsnetz (Errichtung eines teuren UW´s), sodass ein Gebotsaufschlag eine doppelte Belastung darstellen würde.
2019-2020: Höchstpreise als teilweiser Ersatz für Referenzertragsmodell
Da das Referenzertragsmodell bei gemeinsamen Ausschreibungen keine Anwendung finden soll, besteht für Vorhaben an windstarken Standorten ein erheblicher Vorteil, der spiegelblich Vorhaben an windschwächeren Standorten benachteiligt. Dem soll durch die Einführung regionaler Höchstwerte entgegengewirkt werden. Diese Höchstwerte sollen anhand von Winddaten und aktuellen Kostenanalysen landkreisspezifisch festgelegt werden. So sollen voraussichtlich drei bis fünf Höchstwertklassen entstehen, die den Landkreisen jeweils zugeordnet werden. Diesem Verfahren kommt eine enorme Unschärfe zu, denn besonders bei großen Landkreisen variiert die Windhöffigkeit oft erheblich. So finden sich beispielsweise im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte Standorte mit einer mittleren Windgeschwindigkeit in Höhe von 80 Meter von oberhalb 7 Meter je Sekunde aber auch von um 5 Meter je Sekunde. Es werden daher völlig unterschiedliche Standortgüten mit derselben Höchstwertgrenze belegt. Hinzu kommt, dass das Grundproblem des Wegfalls des Korrektiv bestehen bleibt, denn ein Höchstwert ändert nichts daran, dass windstärkere Standorte gegenüber windschwachen Standorten benachteiligt werden, denn unterhalb des einheitlichen Höchstwerts kann selbstverständlich mit einem Vorhaben an einem windstarken Standort ein niedrigeres Gebot abgegeben werden.
Zum Hintergrund: Der Verzicht auf das Referenzertragsmodel bei gemeinsamen Ausschreibungen von Windenergie und Photovoltaik geht auf eine Forderung der EU Kommission anlässlich der beihilferechtlichen Überprüfung des EEG 2017 zurück. Der Kritik am Referenzertragsmodell lag zugrunde, dass dieses eine die wettbewerbliche Vergleichbarkeit hindernde Ungleichbehandlung bewirke. Und tatsächlich muss die Frage erlaubt sein, warum der Ausbau an windstarken Standorten nicht stärker gefördert werden soll als an windarmen Standorten. Der Wegfall von Korrektiven wie dem Referenzertragsmodell soll daher zu einer besseren Vergleichbarkeit führen, sodass letztlich auch eine technologieoffene Ausschreibung erfolgen könnte, bei der neben Windenergie und Photovoltaik auch konventionelle Erzeuger gegeneinander antreten.
Die gemeinsame Ausschreibung von Windenergie und Photovoltaik begegnet erheblichen Bedenken, da die technologiespezifischen Unterschiede dazu führen werden, dass die standortspezifisch kosteneffizientere Technologie bevorteilt wird, was letztlich nicht den Ausbau der Erneuerbaren Energien voranbringt. Die Festlegung von Höchstwerten als Ersatz für den – zugegebenermaßen notgedrungenen – Verzicht auf das Referenzertragsmodell mutet seltsam an. Das ist es auch, denn dadurch werden technologiespezifische Unterschiede nicht ansatzweise ausgeglichen, sondern es wird lediglich das Risiko einer Überförderung minimiert. Es bleibt abzuwarten, ob die in diesem Zuge einzuführen beabsichtigte Verteilernetzkomponente demnächst auch bei der herkömmlichen Ausschreibung Eingang findet. Konzeptionell wäre das neben dem bereits bestehenden Netzausbaugebiet denkbar. Möglich ist aber auch, dass die Verteilernetzkomponente die Mengenbeschränkung der Netzausbaugebietsverordnung künftig ersetzt. Kritikwürdig ist sowohl bei der Verteilernetzkomponente als auch bei der Festlegung von Höchstwerten die geringe Schärfe, da beide Festlegungen jeweils bezogen auf die Landkreise erfolgen.