Oberlandesgerichte erteilen Einwand der „Verwirkung“ von Widerrufsrechten oder “unzulässiger Rechtsausübung” Absage

Die Gerichtslandschaft in Deutschland ist in vielen Einzelfragen im Zusammenhang mit der Ausübung von Widerrufsrechten bei Verbraucherdarlehen noch immer stark zersplittert. Dies liegt auch daran, dass es vergleichsweise wenige höchstrichterliche Entscheidungen zu vielzähligen Rechtsfragen gibt.

Zuletzt haben sich Banken zunehmend auf das Argument gestützt, dass die Ausübung eines Widerrufsrechtes nach vielen Jahren unbeanstandeter Tilgung von Krediten „verwirkt“ sei oder es unzulässig und rechtsmissbräuchlich sei den Widerruf zur Ausnutzung der „Niedrigzinsphase“ zu erklären.   

Insoweit haben nun in jüngerer Zeit viele Oberlandesgerichte klargestellt, dass diese Argumente der Banken und Sparkassen nicht greifen. Hervorzuheben ist z.B. die Entscheidung des OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 27.01.2016 – Az.: 17 U 16/15, wonach selbst die Erklärung eines Widerrufs zwei Monate nach Rückführung des Darlehens und Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung weder verwirkt noch rechtsmissbräuchlich sein soll.

Auch das OLG Brandenburg hat mit Urteil vom 20.01.2016 – Az.: 4 U 79/15 einer Verwirkung oder unzulässigen Rechtsausübung eine Absage erteilt. Wenn beide Seiten von dem Recht nichts wissen (der Verbraucher weil er juristischer Laie sei) fällt es schwer, von einem Vertrauenstatbestand auszugehen, so das OLG Brandenburg. Zudem hätten die Banken es in der Hand gehabt, die Verbraucher ordnungsgemäß im nachzubelehren. Das Zahlen einer Rate über sechs Jahre hinweg führe nicht zu einer Verwirkung, weil der Bankkunde dazu vertraglich verpflichtet gewesen sei. Das Motiv, welches den Verbraucher bei Ausübung einer eingeräumten Widerrufsmöglichkeit (Vertragsreue oder andere subjektive Motive) antreibt, spiele dabei grundsätzlich keine Rolle. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte ein Widerrufsrecht gerade nicht erlöschen, wenn der Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist.

In diesem Sinne hatten auch andere Oberlandesgerichte wie das OLG Stuttgart mit Urteil vom 29.09.2015, Az.: 6 U 21/15, Urteil vom 06.10.2015, Az.: 6 U 148/14; OLG Köln, Urteil v. 23.01.2013, Az. 13 U 69/12 entschieden.

Betreffend das Urteil des OLG Stuttgart – Urteil vom 29. September 2015, Az.: 6 U 21/15 – steht nun am 5. April 2016 um 10.00 Uhr vor dem Bundesgerichtshof (XI ZR 478/15) ein Entscheidungstermin in einer  vom Berufungsgericht ausdrücklich zugelassenen Revision an. Die Beklagte strebt weiter die Abweisung der Klage an mit den Argumenten, die Kläger hätten ihr Widerrufsrecht verwirkt bzw. rechtsmissbräuchlich ausgeübt.

Insoweit besteht die Hoffnung, dass der Streit um den Widerruf bei Verbraucherdarlehensverträgen in diesen Punkten nun höchstrichterlich geklärt wird.