Vertragsrecht, OLG Schleswig stärkt Position der Windenergie: Nutzungsvertrag/Gestattungsvertrag für Windenergie unterfällt nicht dem Miet- oder Pachtrecht und ist nicht aufgrund eines Verstoßes gegen die Schriftform vorzeitig kündbar (§ 550 BGB)

Die Rechtsnatur von Verträgen, mit denen der Grundstückseigentümer einem Betreiber von Windenergieanlagen die Nutzung des Grundstücks zur Errichtung und zum Betrieb von Windenergieanlagen gestattet, ist seit jeher umstritten. Die Rechtsnatur des Vertrages ist von erheblicher Bedeutung, da sich danach das anwendbare Recht bestimmt. Das deutsche Vertragsrecht kennt mehrere Verträge, die eine Nutzungsüberlassung zum Gegenstand haben, die aber teilweise völlig unterschiedlichen Regelungen unterstehen, z. B. Mietvertrag, Pachtvertrag, Leihvertrag, Nutzungsvertrag sui generis. Die Tendenz ging in den letzten Jahren ganz deutlich dahin, dass solche Verträge als Mietverträge qualifiziert worden sind. Das hat erhebliche Konsequenzen, denn ein Mietvertrag muss, um eine wirksame Befristung zu bewirken und dem Betreiber die notwendige Sicherheit für eine lange Laufzeit von bis zu 30 Jahren zu geben, der Schriftform entsprechen. Das setzt voraus, dass alle vertragswesentlichen Regelungen schriftlich niedergelegt sind. Ist das nicht der Fall, kann der Vertrag vorzeitig gekündigt werden (§ 550 BGB). Entsprechendes gilt auch für den Pachtvertrag (§§ 581, 550 BGB) und den Landpachtvertrag (§ 585a BGB). Schriftformmängel können bei der unzureichenden Beschreibung der Mietsache oder der Vertragsparteien vorkommen, bei der Bemessung der Miete, bei der Bestimmung des Nutzungsumfangs oder der Laufzeit. Das auf den Mietvertrag und den Pachtvertrag anwendbare Vertragsrecht sieht vor, dass ein Vertrag, der solche Mängel aufweist, vorzeitig kündbar ist. Da verwundert es nicht, dass Vermieter über die vorzeitige Kündigungsmöglichkeit versuchen, sich von unliebsam gewordenen Mietern zu trennen oder dass Mieter versuchen, sich einer langfristigen Verbindlichkeit zu entledigen. In der gerichtlichen Praxis zum Vertragsrecht sind im gewerblichen Mietrecht oft die Mieter diejenigen, die sich auf die vorzeitige Kündbarkeit berufen. Bei der Windenergie sind es hingegen oft die Grundstückseigentümer, die das Grundstück zu höheren Preisen anderen Interessen überlassen möchten. Zwar liegt es nahe, einer auf der mangelhaften Form beruhenden vorzeitigen Kündigung den im Vertragsrecht anwendbaren Einwand der unzulässigen Rechtausübung gemäß § 242 BGB entgegenzusetzen, allerdings bedarf es dazu weiterer Umstände, die in der Regel nicht vorliegen: Das Berufen auf die vorzeitige Kündigungsmöglichkeit ist nicht treuwidrig, sondern vielmehr eine vom Vertragsrecht ausdrücklich vorgesehene und damit von Gesetzes wegen gebilligte Gestaltungsmöglichkeit. Was das Gesetz vorsieht, kann nicht treuwidrig sein.

Problemfall: Windenergie-Nutzungsvertrag

Nutzungsverträge für die Windenergie sind im Hinblick auf die Schriftform und die drohende vorzeige Kündbarkeit besonders problematisch, denn die Nutzer investieren erhebliche Beträge und haben daher ein gesteigertes Interesse daran, dass eine vorzeitige Kündigung vermieden wird. Gleiches gilt für Banken, die die Vorhaben oft zu großen Teilen finanzieren. Das Oberlandesgericht Schleswig hat nun eine interessante Entscheidung gefällt, die der vorzeitigen Kündbarkeit entgegengesetzt werden kann (OLG Schleswig, Urteil vom 17. Juni 2016 – 4 U 96/15). Zusammen mit dem Nutzungsvertrag wird nämlich regelmäßig eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit in das Grundbuch eingetragen (§ 1090 BGB). Diese soll sicherstellen, dass die Anlage auf dem Grundstück errichtet und betrieben werden kann. Das OLG Schleswig hat nun in dem entschiedenen Fall den Hauptzweck des Vertrages in der Bestellung der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit erblickt. Der Nutzungsvertrag, der zwar mit Blick auf die Formanforderungen nach den vertragsrechtlichen Maßstäben Formfehler aufwies, stelle lediglich eine vertragliche Abrede zur Dienstbarkeit dar und nicht einen Mietvertrag. Neben der Dienstbarkeitenbestellung kann stets auch eine zugehörige vertragliche Abrede getroffen werden. Diese unterliegt indessen, wenn sie nicht einen Mietvertrag oder einen Pachtvertrag darstellt, nicht den Formanforderungen des Miet- oder Pachtrechts. Das bedeutet, dass die Abrede und die Dienstbarkeit dann nicht vorzeitig kündbar sind. In dem entschiedenen Fall sah das OLG Schleswig diese Voraussetzungen als gegeben an. Das Gericht nahm an, dass die Vertragsparteien der Absicherung der langfristigen Investition eine ganz hohe Bedeutung beigemessen haben und erkannte keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eins Miet- oder Pachtvertrags, wenngleich in dem Vertrag von einer „Miete“ die Rede war, was das Gericht nicht vertragsrechtlich sondern eher aus der Laiensphäre heraus als periodisch zu leistendes Entgelt interpretierte. Gegen das Vorliegen eines Mietvertrags sprach aus Sicht des Gerichts auch, dass der Vertrag nicht die Nutzung einer bestimmten Fläche vorsah, sondern die Nutzung einer erst noch festzulegenden Teilfläche. Auf die getroffene schuldrechtliche Vereinbarung sei § 550 BGB nicht entsprechend anwendbar, da es – so das Gericht – an einer vergleichbaren Interessenlage fehle. Schutzzweck von § 550 BGB ist nämlich das Interesse des Erwerber eines Grundstücks, über Art und Ausmaß langfristiger Verträge, in die er kraft Gesetzes eintritt, informiert zu werden. Dieser Schutz sei bei einer Dienstbarkeit über deren Eintragung im Grundbuch gesichert, das der Erwerber einsehen könne.

Weniger ist mehr

Das OLG Schleswig macht einmal mehr klar, dass umfangreiche Verträge nicht immer von Vorteil sind. In dem entschiedenen Fall ließ unter anderem der Umstand, dass die schuldrechtliche Abrede relativ knapp gehalten war, eine Interpretation dahingehend zu, dass ein deutliches Überwiegen des Interesses an der Dienstbarkeitenbestellung zu erkennen war. Theoretisch könnte sich der Nutzer auch mit der Bestellung einer Dienstbarkeit begnügen und so das Risiko einer vorzeitigen Kündbarkeit umgehen, denn wenn es keinen Mietvertrag gibt, kann ein solcher nicht vorzeitig gekündigt werden. Das ist indessen völlig praxisfremd, denn Windenergie-Nutzungsverträge enthalten zahlreiche Regelungen, die im Interesse beider Parteien sind und die insbesondere in der Phase der Realisierung von großer Bedeutung sind (z. B. Regelungen über Flurschäden, Rotorablage, Wegeunterhaltung, Haftung). Es wird daher auch künftig dabei bleiben, dass Nutzungsverträge für Windenergie abgeschlossen werden und dass diese über die wichtigsten Aspekte Regelungen enthalten. Bemerkenswert an der OLG-Entscheidung ist, dass ein Aspekt, der bei Windenergie-Nutzungsverträgen oft problematisch ist, für den Nutzer günstig ausgelegt wurde. Das Gericht hat nämlich ausdrücklich auf die fehlende Bestimmtheit der Vertragsfläche abgestellt. Im Vertragsrecht kann genau darin ein Schwachpunkt im Hinblick auf die Schriftform erblickt werden. Das OLG Schleswig wertete diesen Aspekt indessen dahingehend, dass die fehlende Bestimmtheit gerade gegen das Vorliegen eines Mietvertrags spreche, denn bei einem Mietvertrag ist der Vertragsgegenstand in der Regel bestimmt. Es handelt sich nach Auffassung des OLG Schleswig daher nicht um einen formfehlerhaften Mietvertrag, sondern um eine schuldrechtliche Abrede zur Dienstbarkeitenbestellung, die nicht der Schriftform unterliegt.

Auswirkungen auf die Vertragspraxis & Würdigung

Die Entscheidung als Durchbruch zu bezeichnen wäre sicher übertrieben, denn sie bezieht sich auf einen ganz bestimmten Vertrag und eine ganz bestimmte Konstellation und ist nicht ohne weiteres auf andere Verträge zu übertragen. Der Ansatz des OLG Schleswig kann aber durchaus als Lichtblick für Nutzer gewertet werden, die sich um die Schriftform ihrer Verträge sorgen. Denn die Kündigung von Nutzungsverträgen wird dadurch riskanter und spiegelbildlich werden die Nutzungsverträge damit ein Stück sicherer. In ihrer Konsequenz ist die Entscheidung zu begrüßen, denn sie schafft mit der gewählten Argumentation ein Korrektiv zu einer Rechtslage, die der Wirklichkeit nicht gerecht wird, denn die aus § 550 BGB resultierenden Anforderungen und die praktischen Bedürfnisse der Projektabläufe in der Windenergie können nur sehr schwer miteinander in Einklang gebracht werden. Das gilt sogar für Juristen, die sich mit dem Thema auskennen. Ziel der Rechtsordnung sollte es nicht sein, im Vertragsrecht unversierte Menschen vor zusätzliche Hürden zu stellen, sondern das zu ermöglichen, was die Vertragspartner wirtschaftlich bezwecken. Die Rechtsordnung verfehlt ihre Aufgabe, wenn eine unreflektierte Anwendung des Gesetzes das verhindert, was die Vertragspartner bei Vertragsschluss gewollt haben. Wenngleich die Entscheidung des OLG Schleswig ein anderes Thema betrifft, kann sie aus rechtspolitischer Sicht als verwandt mit der Auflockerungsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs angesehen werden, denn darin bekennt sich der BGH zu einem zunehmend lockereren Umgang mit Formanforderungen, was nicht zuletzt auch dazu führt, dass die vorzeitige Kündigung langfristiger Verträge nach § 550 BGB erschwert wird. Die Entscheidung des OLG Schleswig stellt daher einen Schritt in die richtige Richtung dar, denn sie nähert die rechtliche Bewertung an die Erfordernisse der Realität an. Allerdings ist vor einer allzu großen Euphorie zu warnen, denn bei demselben Sachverhalt kann man aus rechtlicher Sicht nämlich auch zu einem anderen Ergebnis gelangen, nämlich dass es sich um einen Mietvertrag mit Sicherungsdienstbarkeit handelt anstatt um eine Dienstbarkeit mit schuldrechtlicher Abrede. Allgegenwärtige Ratschläge aus der Vergangenheit werden durch die Entscheidung bestätigt: Es sollte versucht werden, auf alles zu verzichten, was auf das Vorliegen eines Mietvertrags oder eines Pachtvertrags hindeuten kann. Das betrifft die Überschrift des Vertrags als „Mietvertrag“ oder „Pachtvertrag“, die Bezeichnung der Parteien als „Mieter“ und „Vermieter“ und des Entgelts als „Miete“ und es sollte versucht werden, an mehreren Stellen Anknüpfungen an die Dienstbarkeit zu wählen. Vertragsrechtlich birgt letztgenanntes aber eine Gefahr: Es ist nicht klar, ob der BGH und andere Oberlandesgerichte die Auffassung des OLG Schleswig teilen. Ein stärkerer Bezug zwischen dem Vertrag und der Dienstbarkeit spricht – mit der Entscheidung des OLG Schleswig – zwar dafür dass der Vertrag eine schuldrechtliche Abrede zur Dienstbarkeit darstellt, andersherum kann aber auch argumentiert werden, dass die Dienstbarkeit gerade keine unabhängige Sicherung sein sollte und daher mit der Kündigung des Kausalvertrags kondiziert, d.h. zurückverlangt bzw. zu löschen begehrt, werden kann.