Ob eine Verkehrsfläche als öffentlicher Verkehrsraum anzusehen ist, spielt insbesondere beim Tatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort eine zentrale Rolle.
Laut OLG Rostock (Urteil vom 28.11.2003, Az. 1 Ss 131/03 I 79/03) kommt es dabei weniger auf formale Kriterien wie die rechtliche Widmung an, sondern vielmehr auf die faktischen Gegebenheiten vor Ort. In dem vom OLG Rostock entschiedenen Fall hatte sich ein Verkehrsunfall auf einem Parkplatz ereignet, der sich auf einem Privatgelände befand. Der Parkplatz war zwar nicht explizit abgesperrt, jedoch durch Beschilderungen als privates Areal gekennzeichnet und stand nur einer begrenzten Personengruppe zur Nutzung offen. Nach dem Unfall entfernte sich der Unfallverursacher , ohne die notwendigen Feststellungen zu seiner Person und Beteiligung zu ermöglichen.
Die zentrale Frage lautete: Handelt es sich bei diesem Parkplatz um einen öffentlichen Verkehrsraum, so dass die Vorschriften über das unerlaubte Entfernen vom Unfallort Anwendung finden?
Das OLG Rostock stellte fest, dass der Parkplatz in diesem Fall nicht als öffentlicher Verkehrsraum einzustufen war. Entscheidend war, dass die Nutzung der Fläche faktisch auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt war. Eine allgemeine Zugänglichkeit – wie sie für die Annahme eines öffentlichen Verkehrsraums erforderlich ist – lag somit nicht vor. Das Gericht hob hervor, dass die Definition des öffentlichen Verkehrsraums nicht allein auf rechtlichen Eigentumsverhältnissen oder Widmungen beruht. Vielmehr ist ausschlaggebend, ob eine Verkehrsfläche faktisch von jedermann genutzt werden kann oder nur einer individuell konkretisierbaren Personengruppe zugänglich ist. Private Beschilderungen oder faktische Nutzungseinschränkungen können daher den öffentlichen Charakter einer Verkehrsfläche ausschließen.
Die Auffassung des OLG Rostock deckt sich mit der ständigen Rechtsprechung. Danach ist ein Verkehrsraum öffentlich, wenn er entweder ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten für jedermann oder aber zumindest für eine allgemein bestimmte größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen ist und auch so benutzt wird. Auf die Eigentums- und Widmungsverhältnisse kommt es nicht an. Eine Verkehrsfläche kann auch zeitweilig „öffentlich“ und zu anderen Zeiten „nicht-öffentlich“ sein (BGH-Beschluss vom 30.01.2013, 4 StR 527/12). Die Zugehörigkeit einer Fläche zum öffentlichen Verkehrsraum endet mit einer eindeutigen, äußerlich manifestierten Handlung des Verfügungsberechtigten, die unmissverständlich erkennbar macht, dass ein öffentlicher Verkehr nicht (mehr) geduldet wird (u.a. BGH, Urteil vom 04.03.2004, 4 StR 377/03, BGH Beschluss vom 30.01.2013, 4 StR 527/12; OLG Hamm, Beschluss vom 04.03.2008, 2 Ss 33/08; OLG Zweibrücken Beschluss vom 11.11.2019, 1 OLG 2 Ss 77/19).
Die Urteile unterstreichen die Bedeutung der Abgrenzung für strafrechtliche Tatbestände wie das unerlaubte Entfernen vom Unfallort. Es zeigt, dass die Frage nach dem öffentlichen Verkehrsraum im Einzelfall eine detaillierte Prüfung der örtlichen Gegebenheiten erfordert.
Sie haben Fragen zum Thema oder zu anderen Fällen aus oder im Zusammenhang mit dem Straßenverkehrsrecht, rufen Sie einfach an. Gern stellen unsere Verkehrsrechtlerinnen und Verkehrsrechtler auch Ihnen unsere Expertise zur Seite.