Eine lange Auseinandersetzung um die Errichtung eines Funkturms im Zentrum des Ortes Speichersdorf (Bayern) hat nun ein Ende gefunden. Kaum jemand möchte die Annehmlichkeiten des Alltags missen. Knisterfreier Radio und DVBT-Fernsehempfang sowie mobiles Internet sind heute Selbstverständlichkeiten, die indessen auch einen immensen technischen und finanziellen Aufwand erfordern. Dazu gehören auch Funkmasten, die eine möglichst flächendeckende Versorgung sicherstellen sollen. Nicht selten entbrennt Streit um Standorte, an denen solche Funkmasten errichtet werden sollen. Auf der einen Seite steht das Interesse des jeweiligen Netzbetreibers, eine möglichst effiziente und kostengünstige Errichtung durchzusetzen. Geringe Entfernungen zu den Rezipienten beziehungsweise den Empfangsgeräten sowie eine einfache Anbindung an Infrastruktur, etwa in Form von Stromversorgung und Straßenanbindungen, sind tragende Argumente, einen Funkturm möglichst nahe an Ortschaften zu errichten. Das stößt bei Anwohnern regelmäßig auf Widerstand, denn sie befürchten eine Verunstaltung des Landschafts- oder Ortsbildes und haben Sorge, dass die elektromagnetische Strahlung den Menschen Schaden zufügen kann.
Elektrosmog Grenzwerte zweifelhaft – „Placebo“-Studien
Meistens können beide Seiten Gutachten vorweisen, die entweder die Schädlichkeit der Strahlung belegen oder das Gegenteil, nämlich dass die Strahlung unbedenklich ist. Gegen die Schädlichkeit solcher Strahlen werden oft auch Placebo-Studien ins Feld geführt, die nachweisen, dass Beschwerden wie beispielsweise Kopfschmerzen und Schlafstörungen ebenso häufig auftreten, wenn der Test-Funkturm gar nicht in Betrieb war und von ihm keine Strahlung ausging. Solche Studien sind rechtlich fragwürdig, denn sie belegen keineswegs, dass die Strahlung unschädlich ist. Denn das Vorliegen von bloß „eingebildeten“ Beschwerden sagt nichts darüber aus, dass die Strahlung tatsächlich keine negativen Auswirkungen hat. Placebo-Studien lassen regelmäßig die Langzeitwirkungen außer Betracht, befassen sich nicht eingehend mit besonders empfindlichen Betroffenen – wie Kindern – und sind daher eher als Versuch anzusehen, das öffentliche Meinungsbild zu beeinflussen. Anwohner sind zumeist auch mit einem ganz realen Problem konfrontiert, nämlich dass ihre Immobilen erheblich an Wert verlieren.
Veränderungssperre und Verzögerung
Im bayrischen Speichersdorf ist nun ein jahrelanger Rechtsstreit um die Errichtung eines Funkturms zu Ende gegangen. Dort wollte die Deutsche Funkturm GmbH einen ca. 50 Meter hohen Funkturm errichten, und zwar in unmittelbarer Nähe zu Wohnbebauung. Der dortigen Bürgerinitiative ist es gelungen, das Vorhaben inmitten ihrer Ortschaft zu verzögern und hat es im Ergebnis geschafft, das Projekt im Ort ganz zu verhindern. Nachdem die Telekom Tochter eine Genehmigung zur Errichtung des Funkturms beantragt hatte, erließ die Gemeinde eine so genannte Veränderungssperre gemäß § 14 Baugesetzbuch (BauGB). Auf deren Grundlage wurde das Baugesuch der Funkturm GmbH zurückgestellt. Grundlage für die Veränderungssperre war eine gemeindliche Planung, die in Widerspruch zu der Errichtung des Funkturms an der konkreten Stelle stand.
Suche nach Alternativen
Die Telekom-Tochter erhob dann Klage, um den Funkturm doch noch errichten zu dürfen. Vor dem Verwaltungsgericht konnte die Bürgerinitiative zunächst einen Teilsieg verbuchen. Damit wollte sich die Deutsche Funkturm GmbH aber nicht abfinden und klagte vor dem bayrischen Verwaltungsgerichtshof (VGH). Nachdem die Deutsche Funkturm GmbH parallel zu dem nunmehr fast drei Jahre andauernden Streit einen Ersatzstandort finden konnte, zog sie die Klage beim VGH zurück. Den Speichersdorfern bleibt der Funkturm – jetzt endgültig – erspart. Der Turm wird nun nicht mehr in der Nähe von Wohnhäusern, sondern an der Bundesstraße 22 errichtet, und zwar umgeben von landwirtschaftlichen Nutzflächen und fernab von Wohnhäusern.
So früh wie möglich
Was so einfach klingt, ist im Speichersdorfer Fall ein dornenreicher Weg mit ungewissem Ausgang gewesen. Wer ein solches Vorhaben vor seiner Haustür verhindern möchte, muss sich darüber im Klaren sein, dass der Gegner alle Möglichkeiten ausschöpfen wird, um sein Interesse durchzusetzen. Das bedeutet spiegelbildlich, dass alle Maßnahmen, die einen Aufschub oder eine Verhinderung des Vorhabens ausgeschöpft werden müssen. Ja nach Sachlage kann das ein Wettlauf gegen die Zeit sein, denn einen bereits errichteten Funkmast verwaltungsrechtlich nachträglich „wegzuklagen“ ist schwieriger, als den Weg zur Genehmigung durch Ausschöpfung der gegebenen Möglichkeiten zu erschweren. Dabei zeigt sich immer wieder, dass Vorhabenträger bereits sehr frühzeitig nach Alternativen suchen. Denn es ist nicht auszuschließen, dass die Kritiker am Ende Recht bekommen und die Verzögerung des Vorhabens kann dazu führen, dass der Vorhabenträger sich dazu entschließt, eine Alternative zu entwickeln und – wie hier – am Ende auch durchzuführen. Das setzt allerdings voraus, dass dem Vorhaben spürbarer Druck entgegengebracht wird.
Konstruktiver Druck
Wie dieser Druck hergestellt werden kann, ist vom Einzelfall und vom Verfahrensstand abhängig. In jedem Fall ist es sinnvoll, einen auf Verwaltungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt oder einen Fachanwalt für Verwaltungsrecht zu konsultieren. Rechtlich ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts zwar meistens nicht notwendig, denn die durchzuführenden Schritte unterliegen fast alle nicht einem Anwaltszwang, also der Pflicht, sich durch einen Anwalt vertreten zu lassen. Die auftretenden materiellen, verwaltungsprozessualen und verwaltungsrechtlichen Fragestellungen sind jedoch oft so komplex, dass fachkundiger Rat unentbehrlich ist. Ein Spezialist für Verwaltungsrecht wird auch helfen, eine Strategie zu erarbeiten, die zwar kein Erfolgsgarant aber doch die Voraussetzung für ein planvolles Agieren ist. Da mag es überraschen, wenn nun an erster Stelle konstruktive Maßnahmen genannt werden: befindet sich das Vorhaben in der Planungsphase, sollte versucht werden, Hand in Hand mit der Gemeinde zu gehen. Es sollte jegliche Art von Negativ- beziehungsweise Verhinderungsplanung vermieden werden. Stattdessen sollte versucht werden, konstruktiv an der Suche nach einem Ersatzstandort mitzuwirken oder die Suche nach einem solchen zu initiieren. Sofern die Gemeinde dem Vorhaben bereits zugestimmt hat, sind die Möglichkeiten aber bei weitem noch nicht erschöpft. In diesem Fall ist ein individualer Rechtsschutz angezeigt. Wer nämlich von dem Vorhaben betroffen ist, kann dagegen eine Verletzung seiner subjektiv-öffentlichen Rechte geltend machen. Bereits die Klage eines Einzelnen kann so das ganze Vorhaben verhindern. Dabei spielen die Grenzwerte – die allerdings oftmals sehr hoch angesetzt und in der Regel eingehalten sind – eine nur untergeordnete Rolle. Entscheidender ist, ob von dem Bauvorhaben „Funkturm“ eine erdrückende Wirkung und Verschandelung des Ortsbildes ausgeht und ob er bauplanungsrechtlich im jeweiligen Gebiet zulässig ist. All dies sind in vielen Fällen Punkte über die man trefflich streiten kann. Ein Rechtsstreit eröffnet aber die Chance, einen Alternativstandort zu finden.