Begriffe der Windenergie – Windenergieanlage oder Windmühle?

Neue Entwicklungen bringen erfahrungsgemäß neue Begriffe mit sich. In der Vertrags- und Verwaltungspraxis sieht sich der Anwalt wie auch der Richter einer Vielzahl von technischen Begriffen gegenüber, deren korrekte Verwendung manchmal bezweifelt werden kann.

Bestes Beispiel ist die Bezeichnung von „Windenergieanlagen“: Hierzu existiert eine Vielzahl von Bezeichnungen, die mehr oder weniger die Eigenheit dieser technischen Anlage beschreiben. Eine Windenergieanlage wird durchaus auch als Windrad, Windkraftanlage, Windturbine, Windkraftwerk, Windanlage oder als Windmühle bezeichnet. Darüber hinaus finden sich auch die Begriffe Kleinwindanlage oder Kleinwindenergieanlage. Welche dieser Bezeichnungen zutreffend ist, kann als Geschmacksfrage angesehen werden, wobei die Aussagekraft der Bezeichnungen durchaus unterschiedlich ist: Die Bezeichnung als Windrad ist eher unüblich, da damit die Wirkungsweise auch nur unzureichend beschrieben wird. Schließlich könnte man unter Windrad eher einen im Übrigen funktionslos drehenden Rotor verstehen. Die meisten Hersteller, zum Beispiel der Marktführer in Deutschland Enercon sowie der Weltmarktführer Vestas, Siemens, REpower oder Kenersys bezeichnen ihre Produkte als Windenergieanlagen. Dieser Begriff dürfte die Funktionsweise der Anlage am besten beschreiben, da er, wenngleich die Prozesse nicht beschrieben werden, die maßgeblichen Wortelemente enthält, nämlich „Wind“, „Energie“ und „Anlage“. Nun kann durch die Ersetzung des Wortelements „Energie“ durch „Kraft“ eine gewisse Bedeutungsänderung herbeigeführt werden, die allerdings an der Unschärfe des zusammengesetzten Wortes nichts ändert. Denn auch die Bezeichnung „Windkraftanlage“ beschreibt nicht, dass eine Umwandlung der der Luftströmung innewohnenden Energie in elektrische Energie erfolgt. Gleichwohl hält beispielsweise der Hersteller Nordex stoisch daran fest, seine Produkte als Windkraftanlagen, kurz WKA, zu bezeichnen. Das verwundert insoweit, als dass sich neben nahezu allen Herstellern auch der deutsche Gesetzgeber im Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) für die Bezeichnung „Windenergieanalage“ entschieden hat (ebenso in der SDLWindV, im BauGB, der AWZ Ostsee-ROV, der AWZ Nordsee-ROV). Allerdings ist auch der deutsche Gesetzgeber nicht konsistent, denn im Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG, dort in Anlage 1 „UVP-pflichtige Vorhaben“) ist von „Windkraftanlage“ die Rede. Ebenso wird die Bezeichnung „Windkraftanlage“ im Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG), in der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BImSchV), der Seeanlagenverordnung (SeeAnlV), im Bundesnaturschutzgesetz (BNatschG) sowie im Einkommenssteuergesetz (EStG) verwendet. Gemeint ist indessen dasselbe. In der Gesetzessprache von Österreich heißt es „Anlagen zur Nutzung der Windenergie“, was dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht gerade förderlich ist. In der Kautelarjurisprudenz sowie im Vertragsrecht nicht geläufig ist die Bezeichnung als „Windkraftwerk“. Zwar könnte man angesichts der Größe der heutigen Windenergieanlagen durchaus an ein „Werk“ im klassischen Sinne denken, allerdings beinhaltet die Verwendung dieses Wortbestandteiles die Aussage, dass etwas körperliches hergestellt wird, was bei der Windenergieanlage nicht der Fall ist. Die Bevorzugung des Wortbestandteils „Anlage“ ist wohl darauf zurückzuführen, dass die durchschnittliche Windenergieanlage ein nach dem BImSchG genehmigungspflichtiges Vorhaben darstellt und zentral im Regelungsbereich des BImSchG ist der Anlagenbegriff. Der an die englische Bezeichnung „wind turbine“ (Windenergieanlage, englisch auch „wind energy facility“) angelehnte Begriff „Windturbine“ ist im deutschsprachigen Raum eher unüblich. Kaum verwendet wird auch die Bezeichnung „Windanlage“, schließlich fehlt dort das charakteristische Element der „Energie“ bzw. „Kraft“. Windenergieanlagen werden auch als „Windmühlen“ bezeichnet, was allerdings mit der eigentlichen Wirkungsweise nichts zu tun hat. Schließlich wird, zumindest wenn die Anlage keine gravierenden Fehler hat, nichts gemahlen. Die Bezeichnung Windmühle findet sich deshalb selten in Verträgen und Vereinbarungen, sondern entstammt eher der Umgangssprache. Für die Bezeichnungen „Kleinwindanlage“ oder „Kleinwindenergieanlage“ gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend. Dabei handelt es sich um Anlagen mit (zumeist) derselben Wirkungsweise, die indessen kleiner sind als herkömmliche Windenergieanlagen.

Aus juristischer Sicht ist die Bezeichnung indessen irrelevant, solange klar ist, was die Vertragspartner gewollt haben. Zweifelhaft kann das allenfalls dann werden, wenn mehrere Begriffe vermengt werden, das heißt ein und dieselbe Anlage einmal als Windenergieanlage und an anderer Stelle als Windkraft- oder als Windanlage bezeichnet wird. Dann ist, wenn sich aus den Umständen nichts Abweichendes ergibt, davon auszugehen, dass die Vertragspartner Unterschiedliches gemeint haben.