Bauunternehmen wollen Geld verdienen.
Ein Bauunternehmen kann jedoch nur gewinnbringend Geld verdienen, wenn es einen Auftrag erhält.
Dies wird in der heutigen Zeit üblicherweise oft nur der Fall sein, wenn es ein günstiges Angebot gegenüber dem Interessenten abgeben kann.
Für die Angebotsabgabe ist dabei von dem Bauunternehmer ein Leistungsverzeichnis vorzulegen, welches letztlich die Einzelpositionen und Einzelpreise beschreibt, die zur Kalkulation des Angebotspreises führen. Mit anderen Worten: Die Angebotssumme setzt sich zusammen aus der Menge der auszuführenden Leistungen, die mit dem jeweiligen Angebotspreis der entsprechenden Einzelposition multipliziert wird und in der Summe dieser Einzelpositionen den Angebotspreis liefert.
Da sich ein Auftrag üblicherweise aus diesen Einzelpositionen zusammensetzt, könnte man denken, dass der Bauunternehmer stets einen üblichen Einzelpreis für jede Leistung ansetzen muss, damit er auch insgesamt einen üblichen Gewinn aus der Abwicklung dieses Bauvorhabens zielt.
Wenn er jede Einzelposition eines Leistungsverzeichnisses jedoch derart „normal“ kalkuliert, wird er „unter dem Strich“ eine gegenüber Konkurrenzunternehmen zu hohe Angebotssumme anbieten müssen.
Insoweit gilt es für das gewinnorientierte Bauunternehmen, seine Angebotskalkulation vorteilhaft formuliert anzubieten. Der sich im Gesamtergebnis ergebende kalkulierte günstige Preis kann beispielsweise dann zu einem attraktiven Preis werden, wenn die im Leistungsverzeichnis beschriebene Leistung gar nicht ausgeführt werden muss, weil sie entfällt oder durch eine Leistung ersetzt wird, die im Leistungsverzeichnis bisher noch gar nicht (§ 2.6 VOB/B) oder anders (§2.5 VOB/B) beschrieben wurde.
Wurde beispielsweise die Position, von welcher der Bauunternehmer von vornherein wußte, dass er selbige nicht bauen wird, günstig angeboten, und ist ein Teil des auf diese Position üblicherweise entfallende Gewinns von vornherein auf andere Einzelpositionen „verteilt“ worden, hatte dies zur Konsequenz: Trotz geringerem Arbeitsaufwand verblieb dann nach Abschluss der Arbeiten bei Schlussrechnungsstellung trotzdem der für alle Leistungen angebotene Gewinn beim Bauunternehmer, selbst wenn die günstige Position nicht gebaut wurde.
Ein anderes Beispiel wäre, dass der Bauunternehmer bereits vor Angebotsabgabe weiß, dass eine Position, die zunächst mit einer geringen Menge (beispielsweise 1 Einheit) im Angebot zu kalkulieren war, im späteren Bauverlauf tatsächlich viel häufiger (beispielsweise mit 20 Einheiten) verbaut wird. Dann könnte er in dieser Einzelposition beispielsweise ein Vielfaches des üblichen Preises ansetzen. Dieses würde sich im Angebot aufgrund der geringen Menge zunächst kaum im Angebotspreis bemerkbar machen, in der Rechnungssumme jedoch erheblich auswirken.
Der Bauunternehmer kann also auch gewinnbringend anbieten und Verträge schließen, wenn er angebotene Positionen tatsächlich nicht baut oder eine Einzelposition häufiger verbaut als im Angebot vorgesehen.
So kann für den Auftraggeber aus einem vermeintlich günstigen Angebot zum Zeitpunkt der Schlussrechnung eine teure Überraschung werden.
Die vorbenannte Kalkulation wird im Baurecht üblicherweise als so genannte „frivole Kalkulation“ bezeichnet.
Mit Urteil des Bundesgerichtshofes vom 14.03.2013 07.03.2013 (Aktenzeichen VII ZR 116/12) sind diesem Vorgehen nunmehr weitere rechtliche Grenzen gesetzt worden, die den Bauunternehmen mit solch „frivolen“ Angeboten in Zukunft selbst teuer zu stehen kommen können. Es soll auch so sein, dass dem Bauunternehmer vermeintliche „Rechenfehler“ dabei nicht mehr zu Gute kommen sollen.
Nach der vorbezeichneten Entscheidung des Bundesgerichtshofes kann die auf einer vorstehend aufgezeigten Preisbildung beruhende Vereinbarung sittenwidrig und damit nichtig sein, wenn die zu bestimmende Vergütung für Mehrmengen oder geänderte Leistungen in einem „auffälligen, wucherähnlichen Missverhältnis zur Bauleistung“ seht.
Beträgt beispielsweise die nach § 2 Nr. 3 B (Mehrmengen) oder Nr. 5 VOB/B (Änderungen) zu bestimmende Vergütung für „das 22-fache des üblichen Preises“, kann ein auffälliges Missverhältnis vorliegen.
Ein auffälliges Missverhältnis ist nur dann wucherähnlich, wenn der aufgrund dieses auffälligen Missverhältnisses über das übliche Maß hinausgehende Preisanteil sowohl absolut gesehen als auch im Vergleich zur Gesamtauftragssumme in einer Weise erheblich ist, dass dies von der Rechtsordnung nicht mehr hingenommen werden kann. Unter diesen Voraussetzungen besteht eine Vermutung für ein sittlich verwerfliches Gewinnstreben des Auftragnehmers.
Sofern der Bauunternehmer diese Vermutung durch den Nachweis entkräftet, ihm sei bei der Preisbildung zu seinen Gunsten ein Berechnungsfehler unterlaufen, so verstößt es gegen Treu und Glauben und stellt eine unzulässige Rechtsausübung dar, wenn er den hierauf beruhenden, in einem auffälligen, wucherähnlichen Missverhältnis zur Bauleistung stehenden Preis für Mehrmengen oder geänderte Leistungen verlangt.
Vorbehaltlich anderer Anhaltspunkte zum mutmaßlichen Parteiwillen, so der Bundesgerichtshof weiter, sei in diesen Fällen dann entsprechend § 632 Abs. 2 BGB die übliche Vergütung geschuldet.
Die Konsequenz ist somit, dass der Bauunternehmer hinsichtlich der „zu günstig“ kalkulierten Preise nur die übliche (markt) übliche Vergütung fordern kann, wenn er bei der Kalkulation die Grenze der Sittenwidrigkeit überschreitet. Insoweit sei das Vielfache überschreiten des üblichen Preises ein Indiz für ein „verwerfliches Gewinnstreben“, welches der Unternehmer im Einzelfall dann durch Gegenbeweis widerlegen muss.
Hierzu sei angemerkt, dass diese Grenze auch schon überschritten sein kann, wenn das Achtfache des üblichen (Einzel-) Preises kalkuliert wird.
Dafür spricht die Entscheidung des Bundesgerichtshofes mit Urteil vom 07.03.2013 (Aktenzeichen VII ZR 68/10).
Danach soll bei für eine vertraglich nicht vorhergesehene Leistung, für die sich die Parteien nach § 2 Nr. 6 Abs. 2 VOB/B über einen Preis geeinigt haben folgendes gelten:
Steht die nach § 2 Nr. 6 Abs. 2 VOB/B zu bestimmende Vergütung für im Vertrag nicht vorgesehene Leistungen, die zur Ausführung der vertraglichen Leistung erforderlich werden, in einem auffälligen, wucherähnlichen Missverhältnis zu diesen Leistungen, kann die der Preisbildung zugrunde liegende Vereinbarung sittenwidrig und damit nichtig sein.
Beträgt die nach § 2 Nr. 6 Abs. 2 VOB/B zu bestimmende Vergütung nahezu das Achtfache des ortsüblichen und angemessenen Preises, kann ein auffälliges Missverhältnis vorliegen. Ein auffälliges Missverhältnis ist nur dann wucherähnlich, wenn der aufgrund dieses auffälligen Missverhältnisses über das übliche Maß hinausgehende Preisanteil sowohl absolut gesehen als auch im Vergleich zur Gesamtauftragssumme in einer Weise erheblich ist, dass dies von der Rechtsordnung nicht mehr hingenommen werden kann. Unter diesen Voraussetzungen besteht eine Vermutung für ein sittlich verwerfliches Gewinnstreben des Auftragnehmers.
An die Stelle der nichtigen Vereinbarung über die Vergütung tritt die Vereinbarung, die Leistungen nach dem üblichen Preis zu vergüten.
(Fortführung von BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 — VII ZR 201/06, BGHZ 179, 213).