Regelfrist kann nicht von den Parteien umgangen werden – Notar hat Amtspflicht Beurkundung abzulehnen
Gerade in Großstädten steigen die Immobilienpreise und Verkaufszahlen in den letzten Jahren aufgrund günstiger Zinsbedingungen rasant an. Aufgrund der Nachfrage werden dabei unter Umständen insbesondere durch Verbraucher schneller Kaufzusagen abgegeben, die nicht selten schnellstmöglich durch notarielle Kaufverträge umgesetzt werden sollen. Die Gefahren liegen auf der Hand, wird der Vertrag dem Verbraucher nur wenige Tage oder Stunden vor dem Vertragsschluss zugesandt, wird er den Kaufvertrag in der Regel unvorbereitet abschließen. Auch während der Beurkundung genügt erfahrungsgemäß oft nicht die Zeit, um sämtliche rechtlichen Erwägungen zu treffen oder Änderungen herbeizuführen.
Oft erfährt der Verbraucher auch erst im Notartermin, dass der Notar einige für ihn ausschlaggebende Fragen gar nicht zu prüfen habe. Viele Verbraucher scheuen sich dann, einen Termin „platzen zu lassen“. Im Ergebnis bleibt dann das Aufklärungspotenzial des Beurkundungsverfahrens ungenutzt (BT-Dr 14/9266, S. 50).
Der Gesetzgeber hat zum Schutze des Verbrauchers im Oktober 2013 daher eine Änderung des Beurkundungsgesetzes (BeurkG) vorgenommen. Nach § 17 IIa Nr. 2 BeurkG soll der Notar bei Verbraucherverträgen dafür Sorge tragen, dass der Verbraucher ausreichend Gelegenheit hat, den Kaufvertrag zu prüfen. Hierfür soll der Text des Kaufvertrages in der Regel zwei Wochen vor der Beurkundung zur Verfügung gestellt werden. Von dieser Regel kann nur in Ausnahmefällen abgewichen werden, wobei der Notar die Ausnahmegründe schriftlich im beurkundeten Vertrag aufnehmen muss.
Der zu übersendende Vertragstext muss nicht der vollständige spätere Kaufvertrag sein. Er muss jedoch alle Informationen enthalten, die der Käufer benötigt, um die rechtlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen des Geschäfts – gegebenenfalls mit anwaltlicher Hilfe- überprüfen zu können.
Daher gehören alle wesentlichen Vertragsbestandteile wie Name und Anschrift des Verkäufers, die Bezeichnung des Vertragsgegenstands, der Kaufpreis und die Art und Weise der Zahlung (z. B. Hinterlegung oder unmittelbare Zahlung, Schuldübernahme oder Löschung von Belastungen) dazu. Ferner müssen Regelungen über die Erschließungskostenverteilung sowie Regelungen betreffen Sach- und Rechtsmangelhaftung enthalten sein.
Nicht erforderlich sin die Nennung von Terminen zur Fälligkeit und Übergabe, die im Zweifel auch bei Vertragsschluss noch nachbenannt werden können.
Offensichtlich unzureichend ist daher die Zusendung eines bloßen Vertragsmusters.
Sofern nun der Notar oder Dritte nach Zusendung des Vertragstextes Änderungen oder Ergänzungen ohne Einverständnis des Verbrauchers vornehmen, muss der Immobilienvertrag erneut als Text zugesandt werden.
Viele Verbraucherverträge enthalten nun Regelungen, wonach die Parteien erklären, dass die Wartefrist des § 17 IIa Nr. 2 BeurkG eingehalten wurde oder wonach die Parteien trotz Hinweis der Notars auf die Einhaltung der Wartefrist verzichten.
Wie steht es mit diesen (deklaratorischen) in Kaufverträgen, wenn die Wartefrist tatsächlich nicht eingehalten wird?
Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 07.02.2013 – III ZR 121/12 insoweit jedenfalls klargestellt, dass die Regelfrist von zwei Wochen nach § 17 IIa 2 Nr. 2 BeurkG nicht zur Disposition der Parteien steht, sie diese Frist also nicht durch die Parteien mit deklaratorischen Klauseln oder sonstig vertraglich verkürzt werden kann.
Ein Abweichen von der Regelfrist kommt – so der Bundesgerichtshof – nur dann in Betracht, wenn im Einzelfall nachvollziehbare Gründe – auch unter Berücksichtigung der Schutzinteressen des Verbrauchers – es rechtfertigen, die dem Verbraucher zugedachte Schutzfrist zu verkürzen. Voraussetzung für die Nichteinhaltung der Frist ist deshalb stets ein sachlicher Grund.
Der Notar hat, so die Regelfrist von zwei Wochen nicht abgelaufen ist und die Zwecke dieser Wartefrist nicht anderweitig erfüllt sind, die Amtspflicht, eine Beurkundung auch dann abzulehnen, wenn diese von den Urkundsbeteiligten ausdrücklich gewünscht wird.
In dem dort zu entscheidenden Fall hatten die Parteien im Vertrag klargestellt:
„Vorliegend handelt es sich um ein Verbrauchergeschäft i. S. des § 13 BGBBGB. Dies ist der Fall, wenn der Verkäufer in Ausübung einer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit handelt (§ 14 I BGB). Bei einem Verbrauchergeschäft hat der Notar gem. § § 17 BeurkG darauf hinzuwirken, dass den Käufern der Entwurf der not. Verhandlung 14 Tage vor der Beurkundung vorliegt.
Hier ist diese Überlegungsfrist nicht gewahrt. Die Käufer werden eindringlich belehrt, dass es ratsam ist, sich vor einem Immobilienkaufvertrag mit Vertrauenspersonen zu besprechen, um sich die Risiken klarzumachen, und dass der Gesetzgeber die 14-tägige Überlegungsfrist als Regelfall vorsieht.“
Der Notar hatte sodann trotzdem nicht darauf hingewirkt, dass die Kläger als Verbraucher ausreichend Gelegenheit erhielten, sich vor der Beurkundung mit dem Gegenstand der Beurkundung auseinanderzusetzen. Er hatte nicht gewährleistet, dass zwei Wochen zuvor der Vertragstext zu Verfügung gestellt wurde. Da jedoch ein rechtfertigender Anlass für die schnelle Beurkundung nicht bestand, hätte der Notar von der Beurkundung absehen müssen.
Daher erkannte der Bundesgerichthof den Klägern einen Schadensersatzanspruch aufgrund der Verletzung von Amtspflichten des Notars zu.
Es ist daher im Einzelfall bei tatsächlichen Verkürzungen der gesetzlichen Wartefristen im Schadensfalle zu prüfen, ob diese aufgrund eines Sachgrund erfolgte.