500 Meter-Umkreis um Siedlungen kein hartes Tabu-Kriterium für Windenergie-Flächenausweisung – OVG Nds. Urteil vom 05.03.2018 – 12 KN 144/17

In einem Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO erklärte das Oberverwaltungsgericht Lüneburg die Flächenausweisung für Windenergieanlagen für unwirksam (12 KN 144/17). Der Plangeber hatte in einem Flächennutzungsplan Konzentrationszonen für Windenergieanlagen vorgesehen. Eine solche Flächenausweisung bewirkt, dass solche Anlagen an anderen Orten des Plangebiets unzulässig sind (§ 35 Absatz 3 Satz 3 BauGB). Hiergegen wandte sich der Antragsteller – ein Projektierer und Planer von Windenergieanlagen. Mit Erfolg: Das OVG stellte klar, dass nicht bloß Eigentümer von Flächen antragsbefugt für die Normenkontrolle sind, sondern auch obligatorisch Berechtigte, also solche Antragsteller, die über einen Nutzungsvertrag für die Errichtung von WEA verfügen und die durch den Plan Nachteile erleiden können. Dementsprechend durfte sich der Antragsteller als Standortentwickler gegen den F-Plan mit einem Antrag gemäß § 47 VwGO wenden. Nach Auffassung des OVGs setzt die Antragsbefugnis nicht voraus, dass der Standortentwickler den Standort später selbst realisieren und betreiben möchte. Ausreichend sei vielmehr, dass der Standort bis zur Erlangung der Genehmigung entwickelt werden soll, um später auf Dritte übertragen zu werden. Die Flächenermittlung und -ausweisung hat anhand von so genannten harten und weichen Tabukriterien zu erfolgen. Im entschiedenen Fall legte der Plangeber zugrunde, dass es sich bei dem Mindestabstand von 500 Meter um Siedlungen um ein hartes Tabukriterium handelt. Angesichts des Umstandes, dass bei einem Abstand von 500 Meter bei WEA mit einer Gesamtbauhöhe von 150 Meter mehr als das Dreifache der Höhe vorliegt, erweist sich dieses Kriterium als abwägungsfehlerhaft, denn bei einer solchen Entfernung ist gerade nicht sicher davon auszugehen ist, dass unzumutbare Beeinträchtigungen zu erwarten sind. Hinzu kam, dass der F-Plan bei Siedlungsbereichen nicht zwischen der Schutzwürdigkeit unterschiedlicher Bebauungen differenziert hat. Dabei handelt es sich um einen offensichtlichen Abwägungsmangel, der auch Einfluss auf das Abwägungsergebnis hatte, denn es besteht die Möglichkeit, dass der Plan ohne den Fehler anders zustande gekommen wäre.

Das OVG behandelt in der Entscheidung keine grundlegend neuen Rechtsfragen, sondern wendet Bekanntes an. Dass eine Antragsbefugnis auch ohne Innehabung von Eigentum bejaht werden kann, gehört ebenso dazu wie die ermittelten Abwägungsfehler. Leider entspricht die Anwendung von Tabukriterien in der Rechtspraxis noch immer nicht den vom Bundesverwaltungsgericht herausgearbeiteten Anforderungen. Vielmehr werden besonders Abstandskriterien zu Siedlungsbereichen häufig als harte Tabukriterien behandelt, ohne dass die gewählten Abstände auf tatsächlich zu befürchtende Beeinträchtigungen zurückzuführen sind.

Dr. Alexander Mahlke, Rechtsanwalt & Fachanwalt für Verwaltungsrecht