Der Bundesgerichtshof hat die Rechte von Versicherungskunden, die ihre Lebens- oder Rentenversicherungsverträge vorzeitig kündigen, gestärkt.
Der Bundesgerichtshof hat die Rechte von Versicherungskunden, die ihre Lebens- oder Rentenversicherungsverträge vorzeitig kündigen, gestärkt. Sie können künftig auf erheblich höhere Rückzahlungen hoffen, oder, sofern eine Abrechnung schon erfolgte, Neuberechnungen und möglicherweise noch weitere Zahlungen verlangen.
Der Bundesgerichtshof hat bestimmte Klauseln in Lebens- und Rentenversicherungsverträgen betreffend Kündigung, Beitragsfreistellung, Rückkaufswerte, Stornoabzüge sowie zur Verrechnung von Abschlusskosten gekippt und für unwirksam erklärt (hierzu im Einzelnen weiter unten). Betroffen sind Klauseln in Allgemeinen Versicherungsbedingungen für eine kapitalbildende Lebensversicherung, eine aufgeschobene und eine fondsgebundene Rentenversicherung. Die Klauseln seien für die Versicherungsnehmer intransparent und unangemessen benachteiligend. Insbesondere Versicherungskunden, die ihren Lebensversicherungsvertrag zwischen 2002 und 2007 abgeschlossen haben, sollten Ihre Verträge überprüfen, da fast sämtliche Versicherer in diesem Zeitraum entsprechende Klauseln verwendet haben.
Sofern eine entsprechend dem Urteil des BGH wortgleiche oder ähnliche unwirksame Klausel verwandt wurde empfiehlt es sich auch, die Abrechnung des Versicherungsvertrages zu überprüfen und gegebenenfalls eine Neuberechnung zu verlangen.
Sofern unwirksame Klauseln verwandt wurden, sollten Betroffene mögliche Neuberechnungsansprüche zügig prüfen und durchsetzen, da die „Verjährungsfalle“ zuzuschnappen droht.
Der vorgenannte Neuberechnungsanspruch verjährt innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist und damit innerhalb von drei Jahren, gerechnet ab dem Ende des Jahres, in dem Kunden erstmals eine Abrechnung erhalten haben. Mit Geltendmachung des Neuberechnungsanspruches kann die Verjährung unter Umständen bis zu dem Zeitpunkt gehemmt werden, in dem der Versicherer eine abschließende Entscheidung über den angemeldeten Anspruch trifft.
Auch für den Versorgungsausgleich im Rahmen von Scheidungsverfahren, kann das Urteil – sofern dort Lebensversicherungen zu berücksichtigen sind – besondere Relevanz haben. Viele bisherige Zeitwertmitteilungen von Versicherern dürften, sofern sie auf den unwirksamen Klauseln beruhen, unrichtig sein. Insofern könnte dem Versorgungsausgleichberechtigten ein höherer Ausgleich zustehen.
Zum Urteil im Einzelnen:
Der Bundesgerichtshof hat zum Einen klargestellt, dass Versicherungsbedingungen keine Klauseln beinhalten dürfen, bei denen zu einem erheblichen Teil Anschlusskosten, die zu einem erheblichen Teil Vermittlungsprovisionen beinhalten, mit bisher geleisteten Beiträgen verrechnet werden (so genannte Zillmerung). Dies habe nämlich regelmäßig zur Konsequenz, dass Kunden nur einen geringen oder auch keinen Rückkaufswert erhalten, wenn sie den Lebens- oder Rentenversicherungsverträgen bereits nach wenigen Jahren und vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit kündigen.
Der Bundesgerichtshof hat ferner Klauseln gekippt, die nicht hinreichend deutlich zwischen
– zu berechnenden „Rückkaufswert“, der im Fall einer vorzeitigen Vertragsbeendigung entsteht (§ 176 Abs. 3 VVG a.F.)
– und dem so genannten „Stornoabzug“ (§ 176 Abs. 4 VVG a.F.)
unterscheiden.
Ferner seien Klauseln unwirksam, die vorsehen, dass dem Versicherungsnehmer nach allen Abzügen verbleibende Beträge unter zehn Euro nicht erstattet werden.
Das Urteil hat dabei nicht nur Wirkung für die Abwicklung bestehender Verträge. Auch bei Neuabschluss dürfen sich die Versicherer nicht auf die für unwirksam erklärten Klauseln berufen.
Das Urteil des Bundesgerichtshofes dürfte Signalwirkung für die gesamte Versicherungsbranche haben, da Versicherte künftig erfolgreich Ansprüche auf Rückerstattung nicht ausgezahlter Beträge geltend machen können.