Raumordnungsrecht: „Substanziell Raum verschaffen“ Ausweisung von Windenergieeignungsgebieten

Bei der Fortschreibung der regionalen Raumentwicklungsprogramme ist nach der Rechtsprechung des BVerwG der Windenergie in substanzieller Weise Raum zu verschaffen (BVerwG, Beschl. v. 18.01.2011 – 7 B 19.10). Die Gerichte haben mittlerweile eine beachtliche Anzahl von Kriterien herausgearbeitet, anhand derer ermittelt werden kann, ob ein regionales Raumentwicklungsprogramm der Windenergie in substanzieller Weise Raum verschafft. Zunächst einmal ist mit immer wieder auftretenden Missverständnissen aufzuräumen: Erstens: Wann in substanzieller Weise Raum verschafft wird, kann nicht anhand eines Flächenanteils bestimmt werden. Zweitens: Wenn ein Raumentwicklungsprogramm der Windenergie in substanzieller Weise Raum verschafft, bedeutet das nicht, dass der Plangeber seine Schuldigkeit getan hat und diese Maßgabe als gegeben vorausgesetzt werde kann.

Kein fester Flächenanteil

Nach der gesetzgeberischen Entscheidung ist die Windenergie im Außenbereich privilegiert (§ 35 Absatz 1 Nummer 5 BauGB), das heißt, dass ihr dort Platz einzuräumen ist. Einfach ausgedrückt bedeutet in „substanzieller Weise Raum verschaffen“, dass die Windenergie im Außenbereich eine realistische Chance bekommen muss. Das ist dann nicht der Fall, wenn die Planung eine reine Verhinderungsplanung darstellt. Wesen dieser so genannten Feigenblattplanung ist, dass zwar Gebiete für die Windenergie vorgesehen werden, diese aber so ungünstig und so gering ausfallen, dass von einem Ausbau der erneuerbaren Energien praktisch keine Rede sein kann. Einer solchen Planung steht oft auf die Stirn geschrieben, dass sie die Ausschlusswirkung (§ 35 Absatz 3 Satz 3 BauGB) als Mittel zur Verhinderung der Windenergie benutzt, nämlich um unter dem Deckmantel der Steuerung die Windenergie in Wirklichkeit zu verhindern. Wenn lediglich ein geringer Flächenanteil für die Windenergie vorgesehen wird, ist das noch lange kein Grund, die Planung als Verhinderungsplanung zu qualifizieren.

Schlüssiges gesamträumliches Plankonzept

Ob die Festlegung von Eignungsgebieten den Anforderungen gerecht wird, ist eine Frage des schlüssigen gesamträumlichen Plankonzepts und der Abwägung. Wenn dieses Konzept oder die Abwägung unter Mängeln leiden, ist die Ausweisung der Eignungsgebiete fehlerhaft und wird von den Gerichten aufgehoben. Bei besonders gravierenden Mängeln kann man von einer Verhinderungsplanung sprechen. Ein gravierender Mangel kann etwa darin liegen, dass bestimmte Flächen bei der Betrachtung grundlos außer Betracht gelassen worden sind. Bei der nach dem Raumordnungsgesetz (ROG) und dem Landesplanungsgesetz M-V (LPlG M-V) bzw. den landesrechtlichen Regelungen durchzuführenden Fortschreibung der regionalen Raumentwicklungsprogramme stellt sich die Frage, wie der Umstand einzuordnen ist, dass das fortzuschreibende Programm die Anforderungen an „substanzielles Raum verschaffen“ erfüllt hat. Es liegt der Schluss nahe, dass der Windenergie bereits in substanzieller Weise Raum verschafft worden ist und diese Maßgabe bei der Fortschreibung nicht mehr oder nicht mehr mit Priorität zu beachten ist. Dem ist aber nicht so: der Fortschreibung ist ein schlüssiges gesamträumliches Konzept zugrunde zu legen. Dafür spielt eine Festlegung in einem alten Programm keine Rolle. Wenn bei der Entwicklung des neuen Programms zugrunde gelegt wird, dass der Windenergie bereits in substanzieller Weise Raum verschafft worden ist, dann dürfte es sich um einen Mangel handeln, denn die „substanzielle“ Maßgabe ist dann nicht Gegenstand des gesamträumlichen Konzepts für das neue Programm, sondern wird als feststehend betrachtet. Richtig ist, dass die Maßgabe, dass der Windenergie in substanzieller Weise Raum zu verschaffen ist, in das neu zu erstellende gesamträumliche Konzept zu integrieren ist.