Abschleppmaßnahmen und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
Die Situation kennt wohl jeder: Auf der Suche nach einem Parkplatz im Stadtbereich sieht man keine andere Möglichkeit, als sein Fahrzeug kurzfristig in zweiter Reihe, auf dem Bürgersteig, Fahrradweg oder Behindertenparkplatz abzustellen. Nicht selten kommt es in der Folge zum Abschleppen des PKWs.
Unabhängig von der von Bundesland zu Bundesland differierenden Beantwortung der Frage, ob das Abschleppen als Sicherstellung oder als besondere polizeiliche Maßnahme zu charakterisieren ist, ergibt sich die Problematik, ob sich die einem Fahrzeughalter mittels Gebührenbescheid auferlegten Abschleppkosten nach einer erfolgten Abschleppmaßnahme als rechtmäßig erweisen, also von diesem zu zahlen sind. Dies insbesondere im Hinblick auf den im Verwaltungsrecht geltenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Wann die öffentliche Verwaltung mit dem Abschleppen eines Fahrzeuges wegen des Vorliegens besonderer Umstände gegen diesen Grundsatz verstößt, war bereits vielfach Gegenstand höchstgerichtlicher Entscheidungen.
Handynummer und Bereitschaftserklärung auf Zettel im Fahrzeug
So hat das Bundesverwaltungsgericht bereits im Jahre 2002 entschieden, dass ein sofortiges Abschleppen eines Fahrzeuges, welches rechtswidrig auf einem Behindertenparkplatz abgestellt wurde, trotz Hinterlassens einer Handynummer rechtmäßig sei (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18.02.2002 Az.: 3 B 149.01).
In dem dieser Entscheidung zugrunde liegendem Sachverhalt, wurde das Fahrzeug des klagende Fahrzeugführers trotz eines im Fahrzeug befindlichen und von außen gut sichtbaren Zettels mit dessen Telefonnummer und der Bereitschaftserklärung, „bei Störung bitte anrufen, komme sofort“, abgeschleppt und diesem mittels Gebührenbescheid die notwendigen Kosten von der Behörde auferlegt.
Da der vom Fahrzeugführers gegen den Bescheid der Behörde erhobene Widerspruch von der zuständigen Widerspruchsbehörde nicht abgeholfen wurde, erhob dieser beim Verwaltungsgericht Anfechtungsklage gegen sowohl den Ausgangs- als auch den Widerspruchsbescheid.
Nachdem das Verwaltungsgericht in erster Instanz noch davon ausgegangen war, dass die Abschleppmaßnahme unverhältnismäßig und damit rechtswidrig sei, da sich aus der im Fahrzeug hinterlegten Mitteilung Anhaltspunkte für eine schnelle und sichere Herbeiholung des Fahrers ergäben, ging bereits das Oberverwaltungsgericht in zweiter Instanz davon aus, dass derartige Umstände nicht für die Unverhältnismäßigkeit der Abschleppmaßnahme sprechen können.
Dem hat sich das Bundesverwaltungsgericht angeschlossen und zur Begründung ausgeführt, dass verhindert werden müsse, das Kraftfahrzeugführer mit Hilfe von entsprechenden Angaben unter Inkaufnahme von Bußgeldern, aber in Erwartung eines hieraus folgenden Schutzes vor dem Abschleppen Verkehrsverstöße begehen, die andere Verkehrsteilnehmer behindern. Eine Verpflichtung der handelnden Beamten vor der Abschleppmaßnahme die hinterlegte Mobilfunknummer anzurufen, könne sich ferner auch im Hinblick auf ein entsprechendes Vorbild- und Nachahmungsverhalten nicht ergeben.
Der Kläger musste daher die Kosten des Abschleppvorgangs als auch die des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens tragen.
Die vorbenannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist mittlerweile als gefestigte Rechtsprechung anzusehen.
Hund im Fahrzeug
Für das Verwaltungsgericht Hamburg stellte sich vor diesem Hintergrund die Frage, ob ein in einem verkehrsbehindernd geparktem Fahrzeug befindlicher Hund, die Verhältnismäßigkeit eines Abschleppvorgangs in Frage stellen kann (VG Hamburg, Urteil vom 10.01.2008, Az. 8 K 2894/07).
Konkret ging es um ein Fahrzeug, welches die Klägerin auf einem Fahrradweg geparkt hatte, und das daraufhin abgeschleppt wurde. Die Klägerin erhielt sodann von der zuständigen Behörde einen Gebührenbescheid, der sie zur Tragung der Kosten des Abschleppvorgangs verpflichtete. Sie legte gegen den Bescheid Widerspruch ein, und begründete diesen unter anderen damit, dass sich in dem Fahrzeug ein Hund befunden habe, woraufhin der anordnende Beamte hätte schließen müssen, dass die Rückkehr des Fahrers kurzfristig zu erwarten sei. Zudem sprächen tierschutzrechtliche Gesichtspunkte gegen das Abschleppen. Nachdem die zuständige Behörde den Widerspruch mittels Widerspruchsbescheid zurückgewiesen hatte, erhob die Klägerin Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht.
Dieses entschied, dass die Abschleppmaßnahme dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprach, da das verbotswidrige Abstellen eines Kraftfahrzeuges zu Behinderungen anderer Verkehrsteilnehmer führe. Die Tatsache, dass sich ein Hund im Fahrzeug befand, konnte nach Ansicht des Gerichts nicht zur Unverhältnismäßigkeit der Abschleppmaßnahme führen, da die Anwesenheit eines Tieres im Fahrzeugraum nicht dazu führe, dass der Beamte von einer kurzfristigen Rückkehr des Fahrers ausgehen könne. Aspekte des Tierschutzes können daneben einer Abschleppmaßnahme nicht entgegenstehen, sie vermögen lediglich dazu zu führen, dass das Fahrzeug vor oder nach dem Abschleppen geöffnet und der Hund sichergestellt wird.
Auch hier musste die Klägerin daraufhin sowohl die Kosten des Abschleppvorgangs als auch des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens tragen.
Fazit
Die vorbenannten Entscheidungen zeigen beispielhaft, dass ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Abschleppfällen von den Verwaltungsgerichten nur in äußersten Ausnahmesituationen anerkannt wird.