Windenergie vs. Wetterradar, Entscheidungsgründe zu DWD Urteil (BVerwG 4 C 6.15 und 2.16) werden mit Spannung erwartet, Leitsätze

Das Bundesverwaltungsgericht hat am 22. September 2016 zwei wegweisende Entscheidungen zum Verhältnis von Windenergieanlagen und Wetterradaren gefällt (BVerwG, Urteil vom 22. September 2016 – 4 C 6.15 und 4 C 2.16). Die Veröffentlichung der mit Spannung erwarteten Entscheidungsgründe steht kurz bevor. Die Entscheidungsgründe sind von erheblicher Bedeutung, da gegenwärtig sowohl Genehmigungsbehörden als auch Gerichte zwar Kenntnis davon haben, dass die Entscheidungen zugunsten der Windenergie gefällt worden sind, aber die Auffassungen dazu, welche Schlussfolgerungen daraus zu ziehen sind, gehen auseinander. So vertritt der Deutsche Wetterdienst (DWD) nach wie vor die Rechtsauffassung, dass die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts gar keine Aussage dazu treffen, ob einer nicht bloß unerheblichen Störung eines Wetterradars mit einer Nebenbestimmung begegnet werden darf. Der DWD meint, dass eine solche Nebenbestimmung unzulässig sei, da dies einer unzulässigen Verlagerung von Genehmigungsvoraussetzungen in Nebenbestimmungen gleichkomme. Dieser Auffassung ist nicht zu folgen. Nebenbestimmungen sind im Immissionsschutzrecht anerkannt, und zwar auch dann, wenn sie Genehmigungsvoraussetzungen betreffen. Dass der DWD irrt, lässt sich auch den vorläufigen Leitsätzen zu den Entscheidungen entnehmen:

„1. Eine rechtserhebliche Störung der Funktionsfähigkeit einer Radaranlage im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB setzt voraus, dass ihre technische Funktion in einem Maß beeinträchtigt wird, das sich auf die Aufgabenerfüllung des Betreibers auswirkt.

2. Ob eine Windenergieanlage die Funktionsfähigkeit einer Wetterradaranlage des Deutschen Wetterdienstes (DWD) im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 BauGB stört und ob diese Störung so gewichtig ist, dass sie der nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB privilegiert zulässigen Windenergieanlage als öffentlicher Belang entgegensteht, unterliegt der uneingeschränkten gerichtlichen Überprüfung. Ein Beurteilungsspielraum oder eine fachliche Einschätzungsprärogative kommt dem DWD insoweit nicht zu.“

Damit wird der Argumentation des DWD in weiten Teilen eine Absage erteilt: die Darlegung von abstrakten Erscheinungen auf dem Radarbild, wie sie der DWD immer wieder z. B. anhand mehrwöchig aufsummierter Niederschlagsdaten und dadurch auftretender Speicheneffekte ins Feld führt, genügt keineswegs. Notwendig ist vielmehr, dass der DWD konkret in seiner Aufgabenwahrnehmung gestört wird. Ergänzend zu den vorläufigen Leitsätzen lassen die Entscheidungen folgende vorläufige Orientierungssätze (Richter am Bundesverwaltungsgericht Helmut Petz) zu:

„2. Nebenbestimmungen nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BImSchG dürfen mit einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage nur verbunden werden, wenn die Störung der Funktionsfähigkeit der Radaranlage nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nummer 8 BauGB tatsächlich festgestellt worden ist. Die Möglichkeit einer Störung reicht hierfür nicht aus.

3. Lässt ein Gericht offen, ob es in Extremwetterlagen zu Störungen der Funktionsfähigkeit einer Wetterradaranlage kommen kann, die der Genehmigung der Windenergieanlage im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB entgegenstehen, verletzt es seine nach § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO bestehende Pflicht, die Sache „spruchreif“ zu machen.“

Nebenbestimmungen zur Vermeidung von Störungen von Wetterradaren sind daher grundsätzlich zulässig. Der Rechtsauffassung des DWD ist insoweit zuzugeben, als dass die Störung der Funktionsunfähigkeit der Radaranlage nicht offen bleiben darf. Das führt aber nicht dazu, dass solche Nebenbestimmungen nicht erlassen werden dürfen. Sofern der DWD weiterhin an seiner Rechtauffassung festhalten mag, was als Stimme in der juristischen Fachliteratur durchaus möglich ist, sollte darauf hingewiesen werden, dass das Bundesverwaltungsgericht anderer Auffassung ist.