Arbeitsrecht: „Krankfeiern“ – Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern hat am 7. Mai 2024 (Az: 5 Sa 98/23) entschieden, dass der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert sein kann, wenn sie exakt die Kündigungsfrist abdeckt. In dem verhandelten Fall hatte ein Arbeitnehmer seine Kündigung eingereicht und unmittelbar danach eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt, die genau bis zum Ende der Kündigungsfrist reichte. Das Gericht sah den Beweiswert der Bescheinigung als erschüttert an, da der Arbeitnehmer nicht ausreichend darlegen konnte, welche konkreten gesundheitlichen Beeinträchtigungen bestanden und wie diese seine Arbeitsfähigkeit beeinflussten. Zudem hatte er weder die verordneten Medikamente eingenommen noch den empfohlenen Facharzt aufgesucht. Sein Anspruch auf Entgeltfortzahlung wurde daher abgelehnt.

Auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich in einer Entscheidung vom 15. Januar 2025 (Az: 5 AZR 284/24) mit dem Beweiswert von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen befasst. Dabei stellte es klar, dass eine im Nicht-EU-Ausland ausgestellte Bescheinigung grundsätzlich denselben Beweiswert wie eine deutsche hat – vorausgesetzt, sie zeigt eindeutig, dass der ausländische Arzt zwischen einer Erkrankung und einer tatsächlichen Arbeitsunfähigkeit unterschieden hat. Allerdings kann dieser Beweiswert erschüttert sein, wenn eine Gesamtbetrachtung der Umstände ernsthafte Zweifel begründet.

Im konkreten Fall führten mehrere Faktoren zur Erschütterung des Beweiswerts: Der Arbeitnehmer war für eine ungewöhnlich lange Zeit krankgeschrieben, ohne dass eine Wiedervorstellung angeordnet wurde. Bereits einen Tag nach der attestierten Notwendigkeit häuslicher Ruhe buchte er ein Rückreiseticket, obwohl ihm ausdrücklich ein Reiseverbot erteilt worden war. Zudem hatte er in der Vergangenheit mehrfach direkt nach seinem Urlaub Krankmeldungen eingereicht. Diese Umstände zusammengenommen ließen erhebliche Zweifel an der tatsächlichen Arbeitsunfähigkeit aufkommen.

Ist der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert, muss der Arbeitnehmer nachweisen, dass er tatsächlich arbeitsunfähig war. Gelingt ihm dieser Nachweis nicht, besteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung.

Es gilt der Grundsatz: „Krankfeiern“ ist kein Kavaliersdelikt! So kann eine angedrohte oder angekündigte Krankschreibung das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber so gravierend erschüttern, dass eine fristgerechte, ggf. sogar eine fristlose Kündigung gerechtfertigt ist. Ähnlich der Fall, in dem der Arbeitnehmer beim Arbeitgeber eine Krankschreibung (AUB) einreicht, obwohl er nicht krank ist und obwohl er dies weiß. Hier täuscht der Arbeitnehmer nicht nur den Arzt, sondern auch den Arbeitgeber. Ein solcher Betrug bzw. Betrugsversuch kann die fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber nach sich ziehen.

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