Immobilienrecht: Goldene Regeln beim Erwerb oder Bau einer Immobilie

Die Warnow ist nicht der Yukon und Rostock nicht Dawson City. Dennoch liegt ein Hauch des „Rausches“ in der Luft. Die niedrigen Zinsen und die wirtschaftliche Unsicherheit beim Blick auf Europa fördern die Vorliebe für „Betongold“.

Erstaunlich ist allerdings, dass beim Kauf einer Waschmaschine oder Fernseher im Internet über die Qualität recherchiert wird, alle möglichen Tests in Augenschein genommen werden. Beim Kauf eines Autos wird selbstverständlich die Probefahrt durchgeführt, ggf. gar das Fahrzeug über einen ganzen Tag geprobt. Gut so! Und beim Kauf einer Immobilie? Keine Bewertungen, kein Probewohnen. Blendend schöne Hochglanzexposees lassen eine nähere Prüfung überflüssig, ja geradezu „altmodisch“ erscheinen. Dem Wort des Verkäufers oder dessen engagierten Makler wird blindes Vertrauen entgegen gebracht. Der Kaufvertrag  wird im Laienblick bewertet, immer im Lichte dessen, dass derselbe ja von einem unparteiischen Notar verfasst ist.

Kein (qualifizierter) Gutachter, kein (spezialisierter) Anwalt, kostet alles nur noch mehr Geld – die Immobilie ist schon teuer genug. Ohnehin, wenn man jetzt nicht unter den Bedingungen zugreift, dann greift jemand anderes zu …

Die Erfahrung zeigt jedoch mindestens zweierlei. Zum einen: Alle wollen nur Ihr „Bestes“ und das ist Ihr sauer verdientes Geld und zwar zeitnah. Zum anderen: „Das Geld wird vorne verdient und hinten verbrannt“ oder anders ausgedrückt, wer nicht vor Abschluss eines Vertrages qualifizierte Unterstützung hinzuzieht, wird, wenn sich der „Traum“ als „Blase“ erweist, ein Mehrfaches an Kosten aufbringen müssen.

Kredite müssen weiter bedient werden, wobei so mancher Kreditvertrag ggf. angreifbar ist, was die Bank aber natürlich negiert. Die Unparteilichkeit des Notars – wer hatte diesen doch gleich für Ihren und die weiteren 15 Kaufverträge ausgewählt? Im Kaufvertrag steht plötzlich nicht mehr, was Ihnen „versprochen“ wurde, oder war es nur ein „Versprecher“? Sie müssen, wenn Sie einen Anspruch erheben, darlegen und beweisen? Und dann auch noch das:  der Verkäufer – insolvent?

Damit Ihnen dies nicht wiederfährt, können der unabhängige Bausachverständige und der Advokat  in der Phase vor Abschluss des Bauvertrages Gold wert sein. In diese  Phase lassen sich noch die ganz großen Nuggets finden. Gerade dieses Investment ist meist das am besten angelegte Geld, da es sich in nahezu allen Fällen und auch noch am schnellsten amortisiert.

Zu bauen bzw. zu kaufen ist schließlich nur das, was an Wertsteigerung gemäß der Definition im Vertrag geschuldet ist. Wie bei allen Schürfvorgängen in unbekanntem Terrain, ist es ferner noch in dieser Phase möglich, notwendige „Sicherungsanker“ zu vereinbaren, die Sie beispielsweise im Falle einer Insolvenz Ihres Vertragspartners zusätzlich absichern.

Den Claim richtig richtig abstecken

Zum einen können schon der unabhängige Bausachverständige und der Advokat  in der Phase vor Abschluss des Bauvertrages Gold wert sein. Gerade in dieser Phase können versierte Sucher noch die ganz großen Nuggets finden. Mit dem richtigen Handwerkszeug, der „rechtlichen Brille“ eines Anwaltes und dem bausachverständiger Blick lässt sich schnell beurteilen, was der Bauwillige wirklich für sein Geld bekommt oder wie er die Vertrags- und Leistungspositionen besser ausgestaltet werden können. Dieses investierte Investment ist gut angelegtes Geld, da es sich in nahezu allen Fällen lohnt.

Zu bauen und zu zahlen ist schließlich nur das, was an Wertsteigerung im Bauverlauf gemäß der Definition im Vertrag bzw. Leistungsverzeichnis entsteht, nicht was der Bauwillige meint zu bekommen.

Wie bei allen Schürfvorgängen in unbekanntem Terrain, ist es auch in dieser Phase wichtig, notwendige „Sicherungsanker“ zu vereinbaren, die Sie gerade im Falle einer Insolvenz zusätzlich absichern (beispielsweise durch vertragliche Sicherheiten, insbesondere Herstellungs- und Gewährleistungsbürgschaften).

Ferner sollten Sie sich vor Vertragsschluss über die Bonität des möglichen Baupartners. Dies kann beispielsweise über die Bonitätsauskunft der Schufa oder Creditreform erfolgen, die grundlegende Finanzinformationen erteilen. Auch das (Online-) Handelsregister oder die Online-Plattform www.unternehmensregister.de haben Unternehmensdaten zentral gespeichert.

Der Schürfprozess und dessen Unwägbarkeiten

Oft gut beraten ist, wer auch den gesamten Bauverlauf (nicht nur die Abnahme) durch einen unabhängigen Bausachverständigen überwachen lässt. Der kann dafür sorgen, dass der Bauherr oder die Bauherrin das bekommt, was am Ende auf der Rechnung steht.

Hingegen verhilft dies allein nicht in jedem Fall dem Bauherren zur Freude an der neu entstehenden Immobilie. Schon mancher Bauherr sah den freundlichen Bauunternehmer nur kurz, dann sah er diesen womöglich verschwinden und nachfolgend lernte er dessen ungnädigen Insolvenzverwalter kennen. Wenn sich eine Insolvenz anbahnt oder die selbige eingetreten ist, gehen damit meist zwangsläufig Bauverzögerungen oder nicht abgestellte Mängel einher. In jedem Falle kann viel Geld verloren gehen, weil lange Zeit unklar ist mit wem und wie es weitergeht und eher unwahrscheinlich ist, dass das Pleiteunternehmen für den entstehenden Schaden komplett aufkommen wird. Derartige Fälle sind keine Ausnahme. Grund genug sich zeitgerecht vor einer Bekanntschaft mit dem Insolvenzverwalter zu schützen.

Mehren sich Zeichen für finanzielle Engpässe des Bauunternehmens – oft stockt der Bau oder Firmen fordern immer öfter und vehementer Vorauszahlungen oder (ungerechtfertigte) Abschläge -, sollten Sie unter www.insolvenzbekanntmachungen.de prüfen, ob bereits ein Insolvenzantrag gestellt oder sogar weitere Informationen verfügbar sind. Spätestens wenn das der Fall ist, sollten Sie schnellstmöglich einen Sachverständigen einschalten und zunächst den genauen Bautenstand und Mängel dokumentieren lassen.

Ferner gilt es – auch wenn kein Insolvenzantrag gestellt wurde – außerordentliche Kündigungen aus anderen als insolvenzbedingten Gründen zumindest schon vorzubereiten.

Seien Sie einmal richtig penibel und halten sich streng an später oft ganz streitentscheidende Formalitäten! Formal ordnungsgemäße Mangelanzeigen sollten Sie spätestens jetzt (nochmals vorsorglich) ausgebracht werden. So ist beispielsweise nicht ausreichend zu schreiben: „das Fenster ist mangelhaft“ oder „nicht fachgerecht“. Der Mangel muss seinem Erscheinungsbild nach so beschrieben werden, dass ein „Bild im Kopf“ entsteht und jeder weiß was genau wo gemeint ist. Setzen Sie in dem Schreiben gleichzeitig eine Frist zur Beseitigung. Kommt das Bauunternehmen der Fristsetzung  nicht nach, so ist unbedingt angeraten, dass Sie nochmals eine angemessene Nachfrist zur Beseitigung des Mangels setzen und auch zugleich eindeutig erklären, dass Sie ihm nach fruchtlosem Ablauf der Frist den Auftrag entziehen bzw. kündigen. Sämtliche Erklärungen sollten zugangssicher und nachweisbar zugestellt werden. Auch sollte der Vertragspartner nach allgemeinen Regeln in Verzug gesetzt werden, was (wenn er nicht ohnehin schon Vertragsfristen überschritten hat) durch Fristsetzungen zur Vertragserfüllung und  Nachfristsetzungen (diese wieder mit Kündigungsandrohung verbinden) erfolgen kann. Im Falle des fruchtlosen Ablaufes vorstehender Fristsetzungen ist dann angeraten, eine Kündigungsmöglichkeit vor Ausspruch der Kündigung nochmals anwaltlich überprüfen zu lassen.

Denn der Ausspruch einer Kündigung ist stets mit Risiken versehen, und Sie laufen Gefahr bei unberechtigter außerordentlicher Kündigung die vereinbarte Vergütung zahlen müssen (§ 649 BGB).

Eine Kündigung wegen Mängeln kann beispielsweise schon unwirksam ein, wenn sich ein vermeintlicher Mangel als Kündigungsrund später doch als „Restleistung“ darstellt, die noch bis zur Abnahme zu erbringen war.

Die Goldenen Regeln bei Unfallgefahr:

  1. Bleiben Sie ruhig und unternehmen Sie nichts Unüberlegtes, wie z.B. Erteilung einer Kündigung, Erteilung eines “Baustopps”, Auswechseln von Bauschlössern oder ähnlichem. Dies kann unter Umständen ungeprüft nachteilige Rechtsfolgen haben, weil derlei Handlungen zu einer sofortigen Vertragsbeendigung führen können (zumindest Gründe hierfür schaffen) die mit vermeidbaren nachteiligen Folgen verbunden sein kann.
  2. Zahlen Sie keine verlangten Vorausleistungen, wenn diese nicht vertraglich und wirksam geschuldet sind (was überprüft werden sollte).
  3. Lassen Sie den Leistungsstand durch einen Sachverständigen insbesondere auf Mängel prüfen und dokumentieren.
  4. Sein Sie pingelig und schaffen die formalen Voraussetzungen für eine möglicherweise später vorzunehmende Kündigung wegen Mängeln oder Bauverzögerung.
  5. Zahlen Sie Abschlagszahlungen nur insoweit, wie die diese wirksam vereinbart wurden (was insbesondere bei Verbraucherverträgen genau zu prüfen ist). Zahlen Sie auch nur, soweit die Leistungen wirklich frei von wesentlichen Mängeln erbracht wurden und es sich auch um eine vertragsgemäß zu erbringende Leistung handelt, die durch eine nachvollziehbare Aufstellung vom Bauunternehmer nachgewiesen wurden.
  6. Lassen Sie prüfen, ob Sie bezüglich verlangter Abschlagszahlungen oder Schlusszahlungen ein Leistungsverweigerungsrecht wegen Mängeln geltend machen können, welches sich auf das Doppelte der für die Beseitigung der Mängel erforderliche Kosten belaufen kann und machen Sie hiervon auch gegebenenfalls nach anwaltlicher Prüfung Gebrauch.
  7. Zahlen Sie keine Abschlagszahlungen solange nicht bei der ersten Abschlagszahlungsrechnung gemäß § 632a Absatz 3 BGB eine Sicherheit in Höhe von 5% des Vergütungsanspruches übergeben wurde, sondern üben Sie gegebenenfalls auch so lange ein Leistungsverweigerungsrecht aus.
  8. Nehmen Sie die Leistung keinesfalls ohne Vorbehalt von Mängelrechten wegen bereits festgestellter Mängel ab.
  9. Nehmen Sie nicht ungeprüft „Aufhebungsverträge“ an, da diese Ihre Rechtsposition verschlechtern können.
  10. Schließlich sollte bei vorliegenden Anhaltspunkten für eine Insolvenz auch stets geprüft werden, ob für beide Seiten wirtschaftlich sinnvolle Lösungen bestehen, das Bauvorhaben auf einem zu vereinbaren Weg gemeinsam zu Ende zu führen.
  11. Tritt der Insolvenzfall ein, kann sich der Insolvenzverwalter nach Insolvenzeröffnung für die Fortführung des Bauvorhabens oder dagegen enzscheiden. Damit Sie nicht im Ungewissen bleiben, fordern Sie ihn dazu auf, sich diesbezüglich zu entscheiden. Keinesfalls dürfen Sie ohne diese Entscheidung oder ohne Ablauf einer angemessenen Frist selbst oder durch beauftragte Dritte weiterbauen. Sie laufen sonst Gefahr doppelt zahlen zu müssen: an den Insolvenzverwalter die vereinbarte Vergütung und auch an die neu beauftragten Firmen.

Sollte  sich der Insolvenzverwalter (wie es häufiger vorkommt) gegen eine Fortführung des Vertrages entscheiden oder sollte bereits eine zulässige außerordentliche Kündigung durch den Auftraggeber ausgesprochen sein, sind die wechselseitigen Forderungen gegeneinander auszugleichen. Der Auftraggeber ist dabei jedoch nach neuerer Tendenz in Rechtsprechung und Literatur gehalten, seine Gegenforderungen durch entsprechende Erklärungen aufzurechnen, das heißt Sie müssen diese Aufrechnungen auch erklären. Hier können Sie zur Rettung Ihrer Goldreserven dann insbesondere dokumentierte Mangelbeseitigungskosten und Mehrkosten für die Fertigstellung des Bauvorhabens sowie Verzugsschäden oder vereinbarte Vertragsstrafen ins Feld zu führen.