Grundlagen des Vergaberechts – Das Gebot der Produktneutralität

Das Vergaberecht befasst sich eigentlich nur mit der Frage, WIE beschafft werden soll, nicht aber mit der Frage, WAS. Allerdings muss die zu beschaffende Leistung „neutral“ beschrieben sein und darf nicht ein bestimmtes Produkt betreffen. Nur in Ausnahmefällen kann ein öffentlicher Auftraggeber hiervon abweichen, will er sich nicht dem Vorwurf der Diskriminierung aussetzen.



Das Vergaberecht ist Verfahrensrecht. Es regelt, in welchem Verfahren die öffentliche Hand Leistungen beschafft. Die Frage, was die öffentliche Hand beschafft, also „einkauft“, regelt das Vergaberecht dem Grunde nach nicht. Der öffentliche Auftraggeber ist grundsätzlich frei darin, was er beschaffen will. Das Vergaberecht ist aber auch Wettbewerbsrecht und verbietet zum Schutz des Wettbewerbs die Bevorzugung einzelner Unternehmen. Aus diesem Grund finden sich verschiedene vergaberechtliche Regelungen, die bestimmen, dass der öffentliche Auftraggeber produktneutral vergeben muss. Das heißt, er darf nicht einfach einen Markennamen oder ein Produkt verwenden, sondern muss die zu beschaffende Leistung neutral beschreiben. Entsprechende Regelungen finden sich z.B. in § 31 Abs. 6 VgV oder in § 7 Abs. 2 VOB/A-EU.

 

Nach diesen Regelungen darf zur Beschreibung des Auftragsgegenstandes „nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren, das die von einem bestimmten Unternehmen bereitgestellten Produkte charakterisiert, oder auf Marken, Patente, Typen oder einen bestimmten Ursprung oder eine bestimmte Produktion verwiesen werden, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder bestimmte Produkte begünstigt oder ausgeschlossen werden“. Eine „produktscharfe Ausschreibung“ kann aber zulässig sein, wenn sie durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist. Wann das der Fall ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

 

Ausnahmen können sich ergeben aus technischen Zwängen, gestalterischen Anforderungen oder besonderen wirtschaftlichen Aspekten, wie z.B. dass andere Produkte nicht in einen vorhandenen Bestand integriert werden können. Teilweise wird jedoch vertreten, dass der Auftraggeber eine Markterkundung vornehmen muss, wenn er von dem Gebot der Produktneutralität abweichen will. Hintergrund ist, dass er sich zuerst einen Überblick über den Markt verschaffen soll, bevor er darüber urteilt, ob die von ihm als Ausnahmegrund angenommenen Zustände auch tatsächlich gegeben sind.

 

Bieter sind daher gut beraten, bei einer Produktvorgabe eines öffentlichen Auftraggebers achtsam zu sein und dies notfalls (rechtzeitig) zu rügen. Öffentliche Auftraggeber sollten sorgfältig abwägen und gut begründen, wenn sie ein Produkt vorgeben wollen. ANDRESEN RECHTSANWÄLTE unterstützen Sie individuell bei der Gestaltung Ihres Vergabeverfahrens oder bei der Durchsetzung Ihrer Rechte als Bieter.

 

von Rechtsanwalt Carl-Henning Clodius